Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht Info - 01.2024

2.01.2024
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Gesetzespaket:

Wachstumschancengesetz vorerst gestoppt: Vermittlungsausschuss angerufen

| Das „Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz)“ wurde am 17.11.2023 vom Deutschen Bundestag verabschiedet. Nur eine Woche später stand es bereits auf der Tagesordnung des Bundesrats. Eine Zustimmung erfolgte aber nicht, u. a. wurde die ungleiche Verteilung der Lasten zwischen Bund und Ländern kritisiert. Jetzt befasst sich der Vermittlungsausschuss mit dem Wachstumschancengesetz. |

Das Gesetzespaket beinhaltet zahlreiche steuerrelevante Neuregelungen und Anpassungen. So sollen u. a. Investitionen in den Klimaschutz durch eine Investitionsprämie gefördert werden und zusätzliche Abschreibungsmöglichkeiten


Datenschutzgrundverordnung:

Eigenmächtige Verarbeitung von Kundendaten auf privatem Account eines Mitarbeiters

| Das Landgericht (LG) Baden-Baden hat ein Unternehmen dazu verurteilt, einer Kundin die Namen ihrer Mitarbeiter zu benennen, die in dem Unternehmen erhobene Kundendaten privat verarbeitet haben. Darüber hinaus hat es das Unternehmen dazu verurteilt, ihren Mitarbeitern die fortgesetzte Verwendung der personenbezogenen Kundendaten auf ihren privaten Kommunikationsgeräten zu untersagen. |

Das war geschehen

Die Kundin hatte im Juni 2022 beim beklagten Unternehmen einen Fernseher und eine Wandhalterung erworben. In dem Zusammenhang wurden von ihr Name und Anschrift erfasst. Wenige Tage darauf gab sie die Wandhalterung wieder zurück, wobei ihr versehentlich der wesentlich höhere Kaufpreis für den Fernseher erstattet wurde. Als das Unternehmen das Versehen bemerkt, verfasste eine Mitarbeiterin über ihren privaten Account eines sozialen Netzwerks noch am gleichen Tag eine Nachricht an die Kundin, mit der sie auf das Versehen aufmerksam machte und um Rückmeldung bat. Darüber hinaus erhielt die Kundin ebenfalls noch an diesem Tag über Instagram eine weitere Nachricht, in der sie aufgefordert wurde, sich deshalb mit dem „Chef“ der Instagram-Nutzerin in Verbindung zu setzen.

Die Kundin hat mit ihrer gegen das Unternehmen gerichteten Klage die Auskunft begehrt, mitzuteilen, an welche Mitarbeiter das Unternehmen ihre personenbezogenen Daten herausgegeben oder übermittelt hat. Sie hat darüber hinaus beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Mitarbeitern die Nutzung der personenbezogenen Daten der Kundin auf privaten Kommunikationsgeräten zu untersagen. Das Unternehmen ist der Klage entgegengetreten.

Datenschutzgrundverordnung einschlägig

Zur Begründung hat das LG ausgeführt, die Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) sehe einen Auskunftsanspruch der Kundin vor. Dieser erstrecke sich hier auch darauf, der Kundin die Mitarbeiter des Unternehmens als sog. Empfänger zu nennen, denen gegenüber die personenbezogenen Daten der Klägerin offengelegt worden sind und die diese privat verarbeitet haben, etwa, weil sie diese auf einem privaten Account eines sozialen Netzwerks genutzt haben. Zwar seien Arbeitnehmer eines für die Datenverarbeitung Verantwortlichen grundsätzlich nicht als Empfänger anzusehen. Dies gelte aber nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nur, wenn sie unter der Aufsicht des Verantwortlichen und im Einklang mit seinen Weisungen die Daten verarbeiteten.

Unternehmen muss Kundin die Namen der Mitarbeiter nennen

Demgegenüber habe in dem hier vorliegenden Fall zumindest eine Mitarbeiterin des Unternehmens zur Klärung von Fragen im Zusammenhang mit dem Kauf eines Fernsehers den Kontakt zu einer Kundin eigenmächtig über ihren privaten Account hergestellt. Da für die Kundin die Nennung der Mitarbeiter erforderlich sei, um die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu überprüfen und ggf. weitere nach der DS-GVO zustehende Ansprüche gegen die Mitarbeiter geltend machen zu können, bestehe vorliegend ein Auskunftsanspruch auf Nennung der Mitarbeiter. Denn eine der in Rede stehenden Rechte und Freiheiten der Kundin einerseits und der Mitarbeiter andererseits führe im Hinblick darauf, dass die Nutzung der Kundendaten auf privaten Accounts entgegen den Weisungen und den üblichen Gepflogenheiten des Unternehmens eigenmächtig durch die Mitarbeiterin der Beklagten erfolgt sei, dazu, dass das Interesse der Mitarbeiter, anonym zu bleiben, nicht schutzwürdig sei und gegenüber den Interessen der Kundin auf Geltendmachung ihrer Ansprüche nach der DS-GVO zurückzustehen habe.

Unternehmen muss Nutzung von Personendaten auf Privatgeräten untersagen

Darüber hinaus stehe der Kundin ein Anspruch darauf zu, dass das beklagte Unternehmen ihren Mitarbeitern, die bei der Beklagten erhobene personenbezogene Daten der Klägerin auf privaten Kommunikationsgeräten verwendet haben, die fortgesetzte Verwendung untersage. Das Unternehmen sei als mittelbare Handlungsstörerin verantwortlich und verpflichtet, die ihren Weisungen unterliegenden Mitarbeiter der Beklagten dazu anzuhalten, die weisungswidrige fortgesetzte Verwendung der in dem Unternehmen erhobenen personenbezogenen Daten der Kundin zu unterlassen.

Das LG hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Ein Rechtsmittel gegen das Urteil ist damit nicht statthaft.

Quelle | LG Baden-Baden, Urteil vom 24.8.2023, 3 S 13/23, PM vom 25.8.2023


EU-Taxameter und Wegstreckenzähler:

Bis Ende 2025 ist eine TSE nun noch nicht verpflichtend

| Eigentlich müssen EU-Taxameter und Wegstreckenzähler ab 2024 über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) verfügen. Doch nun gibt es eine Nichtbeanstandungsregelung, die betroffene Unternehmer freuen dürfte. |

Hintergrund: Durch Artikel 2 der Verordnung zur Änderung der Kassensicherungsverordnung vom 30.7.2021 wurde der Anwendungsbereich des § 1 Kassensicherungsverordnung (KassenSichV) auf EU-Taxameter und Wegstreckenzähler ausgeweitet. Damit sind diese elektronischen Aufzeichnungssysteme sowie die damit zu führenden digitalen Aufzeichnungen ab 2024 durch eine TSE zu schützen.

Nach dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) sind die technisch notwendigen Anpassungen und Aufrüstungen umgehend durchzuführen und die rechtlichen Voraussetzungen unverzüglich zu erfüllen. Es wird aber nicht beanstandet, wenn diese Aufzeichnungssysteme längstens bis zum 31.12.2025 noch nicht über eine TSE verfügen.

Beachten Sie | Bereits mit Schreiben vom 30.8.2023 hat das BMF eine Vereinfachung geschaffen: Danach können die Kosten für die nachträgliche erstmalige Ausrüstung bestehender EU-Taxameter oder Wegstreckenzähler mit einer TSE und die Kosten für die erstmalige Implementierung der einheitlichen digitalen Schnittstelle eines bestehenden elektronischen Aufzeichnungssystems in voller Höhe sofort als Betriebsausgaben abgezogen werden.

Quelle | BMF, Schreiben vom 13.10.2023, IV D 2 – S 0319/20/10002 :010, Abruf-Nr. 237966 unter www.iww.de; BMF, Schreiben vom 30.8.2023, IV D 2 – S 0316-a/19/10006 :037


Pauschale Betriebsausgaben:

Finanzverwaltung darf die Regeln weitgehend frei ausgestalten

| Manche Unternehmer können anstelle der tatsächlichen Betriebsausgaben auch pauschale Beträge geltend machen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass die Finanzverwaltung in der Ausgestaltung und Auslegung der Pauschalen weitgehend frei ist. |

Verwaltung gewährt unterschiedliche Pauschalen für Haupt- und Nebenberufe

Hauptberufliche selbstständige schriftstellerische oder journalistische Tätigkeit:

  • Betriebsausgabenpauschale in Prozent der Einnahmen: 30 %
  • jährlicher Höchstbetrag: 3.600 Euro

Wissenschaftliche, künstlerische oder schriftstellerische Nebentätigkeit (auch Vortrags- oder nebenberufliche Lehr- und Prüfungstätigkeit), soweit es sich nicht um eine Tätigkeit i. S. des Einkommensteuergesetzes (hier: § 3 Nr. 26 EstG, „Übungsleiterfreibetrag“) handelt:

  • Betriebsausgabenpauschale in Prozent der Einnahmen: 25 %
  • jährlicher Höchstbetrag: 900 Euro
  • wird für alle Nebentätigkeiten, die unter die Vereinfachungsregelung fallen, nur einmal gewährt

Das war geschehen

Im entschiedenen Fall machten Eheleute jeweils eine Pauschale in Höhe von 30 % geltend. Das Finanzamt würdigte die Tätigkeiten aber als Nebentätigkeiten und gewährte nur 25 %. Die Begründung: Die Begriffe der Haupt- und Nebenberuflichkeit sind gemäß der Einkommensteuer-Hinweise (hier: H 18.2 „Betriebsausgabenpauschale“ EStH) nicht eigenständig definiert. Daher griff das Finanzamt auf die Definition der Nebenberuflichkeit des EStG (§ 3 Nr. 26) zurück, wonach eine Tätigkeit nebenberuflich ist, wenn sie nicht mehr als ein Drittel der Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeiterwerbs in Anspruch nimmt.

Bundesfinanzhof bestätigt Sichtweise der Finanzverwaltung

Der BFH kam zu folgendem Ergebnis: Die Auslegung der Verwaltungsanweisung durch das Finanzamt ist möglich und überschreitet den gesetzlich vorgegebenen Rahmen nicht.

Quelle | BFH, Urteil vom 4.7.2023, VIII R 29/20, Abruf-Nr. 237109 unter www.iww.de

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