Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht Info - 06.2023

2.06.2023
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Handelsregister:

Geschäftsführer müssen die Einsehbarkeit ihrer Daten hinnehmen

| Das Handelsregister soll allen Interessierten die Möglichkeit geben, sich über die Verhältnisse einer (Handels-)Gesellschaft zu informieren. Zu diesem Zweck sieht die Handelsregisterverordnung (§ 43 HRV) u. a. vor, dass neben dem Namen eines Geschäftsführers auch dessen Geburtsdatum und Wohnort in das Register aufzunehmen sind. Hiergegen wandte sich der Geschäftsführer einer GmbH, der um seine Sicherheit fürchtete: Da er beruflich mit Sprengstoff umgehe, sah er die Gefahr, Opfer einer Entführung oder eines Raubes zu werden. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat nun entschieden, dass der Geschäftsführer die Veröffentlichung dieser Daten hinnehmen muss. |

Funktionsfähige und verlässliche öffentliche Register sind für die Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs unerlässlich. Geschäftspartner sollen sich zuverlässig informieren können, so das OLG. Auch datenschutzrechtliche Widerspruchsrechte gegen die Aufnahme der Daten bestehen nicht.

Das OLG hat offengelassen, ob eine Löschung der Angaben bei einer tatsächlichen erheblichen Gefährdung eines Geschäftsführers in Betracht komme. Im vorliegenden Verfahren hatte der Geschäftsführer eine solche Gefährdung aber nicht näher konkretisiert. Zudem ist in dem Register ohnehin keine genaue Anschrift, sondern nur der Wohnort angegeben. Gegen den Beschluss wurde Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt.

Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 24.2.2023, 9 W 16/23, Rechtsbeschwerde beim BGH, II ZB 7/23; OLG Celle, PM vom 16.3.2023 „Persönliche Daten im Handelsregister“


Urheberschutz:

Musik im Verkaufsraum eines Pizzalieferservices verletzt keine Urheberrechte

| Das Amtsgericht (AG) Frankfurt am Main hat entschieden: Ein Lieferservicebetreiber schuldet den Urhebern keinen Schadenersatz wegen Abspielens von Musik im Verkaufsraum. |

Das war geschehen

Die Klägerin nahm den Beklagten anlässlich einer vermeintlich öffentlichen Wiedergabe auf Schadenersatz wegen widerrechtlicher Nutzung urheberrechtlich geschützter Musikwerke in Anspruch. Vorausgegangen waren drei Besuche eines Außendienstmitarbeiters der Klägerin in der vom Beklagten betriebenen Pizzeria. Dabei sei jeweils ein Fernseher mit angestelltem Ton gelaufen.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Nach Würdigung des AG habe in dem konkreten Fall keine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Urheberrechtsgesetzes stattgefunden. Eine solche setze zum einen voraus, dass viele Personen beschallt werden, wenn auch nicht notwendig gleichzeitig. Auch dürfe es sich nicht bloß um einen abgegrenzten Kreis von untereinander persönlich verbundenen Personen handeln.

TV-Gerät beim Lieferdienst: keine Öffentlichkeit

Bereits hieran fehle es: Der Beklagte betreibe in erster Linie einen Lieferdienst, bei dem die Kunden telefonisch ordern und das Geschäft überwiegend nicht betreten. Die Anzahl der Selbstabholer beschränke sich auf ca. 10 Personen pro Tag. Darüber hinaus im Geschäft anwesende Mitarbeiter und Familienangehörige des Beklagten stellten keine Öffentlichkeit dar. Zum anderen setze eine öffentliche Wiedergabe voraus, dass sich der Nutzer (hier der Beklagte) gezielt an das Publikum wendet. Das Publikum müsse außerdem für die Wiedergabe bereit sein und nicht bloß zufällig erreicht werden. Auch diese Voraussetzung hat das AG verneint.

Publikum wird nur nebenbei beschallt

Wichtig: Die Selbstabholer werden vergleichbar den Wartenden in einer Zahnarztpraxis ohne ihr Wollen und ohne Rücksicht auf ihre Aufnahmebereitschaft zwangsläufig von der Hintergrundmusik erreicht, während sie auf ihre Pizza warten.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle | AG Frankfurt am Main, Urteil vom 9.12.2022, 32 C 1565/22 (90), PM vom 31.1.2023


Gesellschafter und Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften:

Keine Verrechnung vororganschaftlicher Verluste im Organkreis

| Während des Bestehens der Organschaft können laufende Verluste der Organgesellschaft nicht zu einem Verlustvortrag auf Ebene der Organgesellschaft führen. Ebenso können vorvertragliche Verluste der Organgesellschaft nicht auf den Organträger übertragen werden und somit in den Organkreis einfließen. Demzufolge bleiben vororganschaftliche Verluste der Organgesellschaft während des Organschaftsverhältnisses ungenutzt. So lautet die Sichtweise des Bundesfinanzministeriums (BMF). |

Beachten Sie | Verpflichtet sich eine Organgesellschaft durch einen Gewinnabführungsvertrag, ihren Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen (Organträger) abzuführen, ist das Einkommen der Organgesellschaft unter gewissen Voraussetzungen dem Organträger zuzurechnen (§ 14 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz). Der Gewinnabführungsvertrag muss auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden.

Mit dem aktuellen Schreiben nimmt das BMF zu einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus 2021 Stellung. Dieser hatte in seiner Begründung ausgeführt, dass eine Umwandlung auch zu einem Wert oberhalb des Buchwerts und bis zum gemeinen Wert vorgenommen werden könnte, um so bei der Organgesellschaft bestehende vororganschaftliche Verluste zu nutzen.

Quelle | BMF-Schreiben vom 10.2.2023, IV C 2 – S 2770/19/10006 :008, Abruf-Nr. 234947 unter www.iww.de; BFH, Urteil vom 11.8.2021, I R 27/18, Rz. 25


Wettbewerbsverstoß:

Wettbewerbsrechtliche Haftung für Affiliate-Partner

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Der Betreiber eines Affiliate-Programms, also eines Partnerprogramms, das eine Schnittstelle zwischen Verkäufer- und Websitebetreiber herstellt, haftet nicht für die irreführende Werbung eines Affiliate-Partners, wenn dieser im Rahmen eines eigenen Produkt- oder Dienstleistungsangebots tätig geworden ist und es deshalb an einer Erweiterung des Geschäftsbetriebs des Betreibers des Affiliate-Programms fehlt. |

Das war geschehen

Die Klägerin ist eine Matratzenherstellerin. Die Beklagten sind Gesellschaften der Amazon-Gruppe und in unterschiedlichen Funktionen am Betrieb der Online-Verkaufsplattform „Amazon“ beteiligt. Im Rahmen des von der Beklagten betriebenen Amazon-Partnerprogramms steht es Dritten, sogenannten Affiliates, frei, auf der eigenen Website Links auf Angebote der Verkaufsplattform zu setzen. Wird dadurch ein Verkauf vermittelt, erhält der Affiliate als Provision einen prozentualen Anteil vom Kaufpreis. Im Jahr 2019 warb ein Affiliate auf seiner Website, die sich im weitesten Sinne mit den Themen Schlaf und Matratzen befasste und zumindest optisch einem redaktionellen Online-Magazin entsprach, u. a. für Matratzen unter Verwendung von Links auf entsprechende Angebote auf der Verkaufsplattform. Die Klägerin hält die Werbung des Affiliates für irreführend und hat die Beklagten, denen der Wettbewerbsverstoß ihres Affiliates zuzurechnen sei, auf Unterlassung verklagt.

So sahen es die gerichtlichen Instanzen

Das Landgericht (LG) hatte die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht (OLG) hatte die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die beanstandete Werbung sei zwar irreführend und daher wettbewerbswidrig. Die Beklagten hafteten für diesen Wettbewerbsverstoß des Affiliates aber nicht als Täter oder Teilnehmer. Auch die Voraussetzungen einer Haftung des Unternehmensinhabers lägen nicht vor.

Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der sog. „innere Grund“ für die Zurechnung der Geschäftstätigkeit des Beauftragten liegt vor allem in einer dem Betriebsinhaber zugutekommenden Erweiterung des Geschäftsbetriebs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs durch den Betriebsinhaber. Unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des Amazon-Partnerprogramms sowie der beanstandeten Website des Affiliates fehlte es an einer solchen Erweiterung des Geschäftsbetriebs der Beklagten und damit am „inneren Grund“ der Zurechnung.

Entwickeln Affiliates eigene Produkte oder Dienstleistungen hier eine Internetseite mit redaktionell gestalteten Beiträgen zu den Themen Schlaf und Matratzen , deren Inhalt sie nach eigenem Ermessen gestalten und zum Verdienst von Provisionen bei verschiedenen Anbietern einsetzen, ist die Werbung über den Affiliate-Link ein Teil des Produkts, das inhaltlich von den Affiliates in eigener Verantwortung und im eigenen Interesse gestaltet wird. Die Links werden von ihnen nur gesetzt, um damit zu ihren Gunsten Provisionen zu generieren.

Beklagte hatte eigenen Geschäftsbetrieb nicht erweitert

Es fehlt im Streitfall auch an der für eine Haftung erforderlichen Beherrschung des Risikobereichs durch die Beklagte. Der Affiliate wird bei der Verlinkung nicht in Erfüllung eines Auftrags beziehungsweise der mit Amazon geschlossenen Vereinbarung tätig, sondern im Rahmen des von ihm entwickelten Produkts und allein im eigenen Namen und im eigenen Interesse. Die Beklagte musste sich einen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss auch nicht sichern, weil sie mit dem Produkt des Affiliates ihren Geschäftsbetrieb nicht erweitert hat.

Quelle | BGH, Urteil vom 26.1.2023, I ZR 27/22, PM 18/23 vom 26.1.2023

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