Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht Info - 11.2023

2.11.2023
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Gesellschafter und Geschäftsführer:

Verdeckte Gewinnausschüttung wegen Privatnutzung des Pkw trotz Nutzungsverbot?

| Überlässt eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer (GGf) ein betriebliches Fahrzeug zur Nutzung, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass das Fahrzeug vom GGf auch für private Fahrten genutzt wird. Dies gilt nach der Ansicht des Finanzgerichts (FG) Münster auch, wenn die Privatnutzung im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ausdrücklich verboten ist und insbesondere dann, wenn der GGf kein Fahrtenbuch führt. |

Das FG Münster hat in seiner Urteilsbegründung insbesondere die bisherige Rechtsprechung des BFH gegenübergestellt:

Sichtweise des I. Senats des Bundesfinanzhofs: Anscheinsbeweis reicht aus

Der I. Senat des BFH ist bislang davon ausgegangen, dass für die Privatnutzung eines dem GGf von der Gesellschaft zur Nutzung überlassenen betrieblichen Fahrzeugs ein Anscheinsbeweis greift. Danach spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass ein (Allein-)GGf einen ihm zur Verfügung stehenden betrieblichen Pkw auch für private Fahrten nutzt.

Dies gilt auch bei einem im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ausdrücklich vereinbarten Privatnutzungsverbot und zwar insbesondere, wenn

  • der GGf kein Fahrtenbuch führt,
  • keine organisatorischen Maßnahmen getroffen wurden, die eine Privatnutzung ausschließen, und
  • eine unbeschränkte Zugriffsmöglichkeit auf den Pkw besteht.

Sichtweise des VI. Senats des Bundesfinanzhofs: kein Generalverdacht

Dagegen vertritt der VI. Senat des BFH die Ansicht, dass für lohnsteuerliche Zwecke bereits die bloße Gestattung der Privatnutzung unabhängig von den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen beim Arbeitnehmer den Zufluss eines geldwerten Vorteils begründet und der Anscheinsbeweis nicht anzuwenden ist.

Es gibt keinen auf der allgemeinen Lebenserfahrung gründenden Erfahrungssatz, nach dem ein angestellter GGf generell arbeitsvertraglich vereinbarte Nutzungsverbote nicht achtet. Selbst wenn er in Ermangelung einer „Kontrollinstanz“ bei einer Zuwiderhandlung keine arbeitsrechtlichen oder strafrechtlichen Konsequenzen zu erwarten hat, rechtfertigt dies keinen entsprechenden steuerstrafrechtlich erheblichen Generalverdacht.

Beachten Sie | Dass der Arbeitgeber ein arbeitsvertraglich vereinbartes Privatnutzungsverbot nicht überwacht, ändert daran nichts.

Diese Grundsätze hat der VI. Senat des BFH auch auf einen alleinigen GGf einer GmbH angewandt.

Sichtweise des I. Senats des Bundesfinanzhofs: Grundsätze des Anscheinsbeweises

Das FG Münster hat nun für den Fall eines alleinigen GGf einer GmbH die Rechtsprechung des I. Senats des Bundesfinanzhofs zugrunde gelegt und die Grundsätze des Anscheinsbeweises angewendet.

Den Anscheinsbeweis konnte die GmbH im Streitfall auch nicht mit dem Einwand erschüttern, dem GGf hätte für die privaten Fahrten ein Fahrzeug im Privatvermögen zur Verfügung gestanden. Denn bei den betrieblichen Fahrzeugen handelte es sich um sehr hochwertige und stark motorisierte Fahrzeuge, die mit den „privaten“ Fahrzeugen nicht vergleichbar waren. Darüber hinaus wurden diese Fahrzeuge auch von der Ehefrau des GGf genutzt.

Beachten Sie | Der wegen des Anscheinsbeweises anzunehmenden Privatnutzung lag keine entsprechende Nutzungs- und Überlassungsvereinbarung zugrunde. Vielmehr enthielt die Vereinbarung ein Privatnutzungsverbot. Die private Nutzung durch den GGf war demzufolge nicht durch das Arbeitsverhältnis, sondern durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und führte zu einer verdeckten Gewinnausschüttung.

Bundesfinanzhof muss entscheiden

Da gegen die Entscheidung des FG Münster bereits die Revision anhängig ist, darf nun mit Spannung erwartet werden, wie sich der BFH positionieren wird.

Quelle | FG Münster, Urteil vom 28.4.2023, 10 K 1193/20 K,G,F, Rev. BFH, I R 33/23, Abruf-Nr. 237191 unter www.iww.de; BFH, Urteil vom 23.1.2008, I R 8/06; BFH, Urteil vom 21.3.2013, VI R 46/11


Deutsche Bahn:

„Schnellste Verbindung anzeigen“ ist irreführend

| Die Parteien stritten um die voreingestellte Suchfunktion „Schnellste Verbindung anzeigen“ auf der Website www.bahn.de und in der DB Navigator App. Der dahinterliegende Algorithmus springt bei der Ergebnisanzeige von der absolut schnellsten Verbindung jeweils vorwärts (bei Eingabe der Abfahrtszeit) oder rückwärts (bei Eingabe der Ankunftszeit) zu den jeweils zeitlich folgenden zweitschnellsten Verbindungen. Nicht angezeigt werden kürzere Verbindungen, deren Abfahrts- bzw. Ankunftszeit vor der jeweiligen Uhrzeit der absolut schnellsten Verbindung liegt. Jetzt hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main der Tochter der Deutschen Bahn wegen Irreführung das Anbieten dieser Suchoption untersagt. Die Beklagte hat während des Eilverfahrens ein Informationssternchen an der Suchfunktion angebracht, mit dem die Vorgehensweise des Algorithmus erläutert wird. |

Das war geschehen

Die Antragstellerin bietet Transportleistungen im Schienenpersonennahverkehr an. Sie wendet sich gegen die Gestaltung und Funktionsweise der Suchoption „Schnellste Verbindung anzeigen“ auf der von der Antragsgegnerin betriebenen Fahrplaninformations- und Reiseauskunftsmedien www.bahn.de und in der App DB Navigator. Die Antragsgegnerin stellte dort den Verbrauchern eine Suchmaske zur Verfügung, die die Eingabe von Start und Ziel, Datum sowie der Abfahrts- oder Ankunftszeit erlaubt. Standardmäßig voreingestellt war „Schnellste Verbindung anzeigen“. Als Ergebnis werden in der Regel drei Verbindungen angezeigt. Der zugrunde liegende Algorithmus ermittelte bei Eingabe einer Abfahrtszeit dabei zunächst von der gewählten Abfahrtszeit aus die absolut schnellste Verbindung. Anschließend wurde die danach abfahrende zweitschnellste Verbindung angezeigt. Ausgehend von der schnellsten Verbindung fand eine zeitliche Vorwärtssuche statt, sodass die zweitschnellste Verbindung, deren Abfahrtszeit früher liegt, nicht angezeigt wurde, auch wenn sie schneller als die nach der absolut schnellsten Verbindung abfahrende zweitschnellste Verbindung war.

Erfolg in der höheren Instanz

Das Landgericht (LG) hat den Unterlassungsantrag zurückgewiesen. Die Beschwerde der Antragstellerin hatte vor dem OLG Erfolg. Die Verbindungsauskunft sei irreführend und damit unlauter, begründete das OLG seine Entscheidung. „Verbraucher werden (…) davon ausgehen, dass es sich bei den angezeigten Verbindungen, wie beworben, um die (…) schnellsten Verbindungen zu ihrer Suchanfrage handelt, auch weil das primäre Ziel des Verkehrs bei einer Verbindungsabfrage ist, möglichst schnell von A nach B zu kommen“, führt das OLG näher aus.

Das erweckte Verständnis stimme jedoch nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen überein, sodass die Suchfunktion irreführend sei. Angezeigt werde zwar zunächst die absolut schnellste Verbindung. Ausgehend von dieser springe das Programm dann aber entweder vorwärts (Abfahrtssuche) oder rückwärts (Ankunftssuche) zu den nächsten absolut schnellsten Verbindungen. Die in der Ergebnisliste an zweiter und fortlaufender Stelle angezeigten Verbindungen seien damit nicht die nächstschnelleren im Hinblick auf die objektive Gesamtfahrdauer, sondern die nächstschnelleren nach der schnellsten Verbindung. Im Fall einer einstündigen schnellsten Verbindung könne dies dazu führen, dass die eine Minute davorliegende Verbindung mit einer Dauer von 1:01 Stunden gar nicht, die eine Minute nach der schnellsten Verbindung abfahrende Verbindung mit einer Dauer von 2:00 Stunden dagegen als zweitschnellste ausgewiesen werde.

Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.9.2023, 6 W 61/23, PM 59/23


Künstlersozialabgabe:

Abgabesatz im Jahr 2024 unverändert bei 5,0 Prozent

| Der Abgabesatz zur Künstlersozialversicherung wird auch im kommenden Jahr 5,0 Prozent betragen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat hierzu Informationen herausgegeben. |

Honorare wieder auf „Vor-Corona“-Niveau

Die bei der Künstlersozialkasse gemeldete Honorarsumme hat im Jahr 2022 wieder den Stand wie vor der Coronapandemie erreicht. Dies und der Einsatz zusätzlicher Bundesmittel in Höhe von insgesamt über 175 Millionen Euro in den Jahren 2021 bis 2023 haben zur finanziellen Stabilisierung der Künstlersozialkasse beigetragen und machen es möglich, dass der aktuelle Abgabesatz in der Künstlersozialversicherung in Höhe von 5,0 Prozent auch im Jahr 2024 beibehalten werden kann.

Über die Künstlersozialversicherung werden über 190.000 selbstständige Künstler und Publizisten als Pflichtversicherte in den Schutz der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung einbezogen.

Hälftige Aufteilung der Sozialversicherungsbeiträge

Die Künstler und Publizisten tragen, wie abhängig beschäftigte Arbeitnehmer, die Hälfte ihrer Sozialversicherungsbeiträge.

Die andere Beitragshälfte wird finanziert durch

  • einen Bundeszuschuss (20 %) und
  • die Künstlersozialabgabe der Unternehmen (30 %), die künstlerische und publizistische Leistungen verwerten.

Der Abgabesatz wird jährlich für das jeweils folgende Jahr festgelegt. Bemessungsgrundlage sind alle in einem Jahr an selbstständige Künstler und Publizisten gezahlten Entgelte.

Beachten Sie | Weitere Informationen erhalten Sie unter www.kuenstlersozialkasse.de.

Quelle | Künstlersozialabgabe-Verordnung 2024; BMAS, „Künstlersozialabgabe bleibt im Jahr 2024 stabil bei 5,0 %“, Mitteilung vom 14.7.2023

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