Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht Info - 12.2020

2.12.2020
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Alleingesellschafter:

Ein Bürge hat kein Widerrufsrecht

| Das Widerrufsrecht für Verbraucher gilt nicht für den Bürgen. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt. |

Eine Bank hatte einer GmbH ein Kredit in Höhe von 300.000 EUR gewährt. Der alleinige Gesellschafter der GmbH hatte am Tag des Kreditvertrags auch eine Bürgschaftserklärung über 170.000 EUR unterzeichnet. Dabei hatte ihn die Bank bei der Vertragsunterzeichnung in den Geschäftsräumen der GmbH nicht über ein vermeintliches Widerrufsrecht informiert. Die GmbH wurde später zahlungsunfähig. Nun verlangte die Bank, den noch offenen Kredit zurückzuzahlen und vom Alleingesellschafter, seine Bürgschaft einzulösen.

Die wesentliche Frage war: Stellte das Unterzeichnen des Bürgschaftsvertrags ein Verbrauchergeschäft dar? Falls ja, hätte der Alleingesellschafter die Bürgschaft noch widerrufen können, da er nicht innerhalb von 14 Tagen über sein Rücktrittsrecht informiert worden war. Doch der BGH sagte „Nein“. Ein Verbrauchervertrag sei stets „eine entgeltliche Leistung des Unternehmers“. Hieran fehle es bei einer Bürgschaft. Diese sei unentgeltlich. Auch, dass der Bürge in einer Haustürsituation handelte, spielte hier keine Rolle, um ein Widerrufsrecht auszuüben.

Quelle | BGH, Urteil vom 22.9.2020, XI ZR 219/19, Abruf-Nr. 217543 unter www.iww.de


Handelsrecht:

Firmenname wirkt sich auf Nachunternehmerhaftung aus

| Das bloße Weglassen des Vornamens in der neuen Firma, die den Gegenstand des Unternehmens unverändert bezeichnet, kann die Kontinuität des Unternehmens hervorheben. Demgegenüber unterstreicht das Ersetzen eines Vornamens durch einen anderen nicht nur den Wechsel des Unternehmensträgers, sondern stellt auch die Kontinuität des Unternehmens infrage, so das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg. |

Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügen eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Das OLG Brandenburg sieht in seiner Begründung keinen Raum für eine analoge Anwendung bei der Fortführung unter einem „ähnlichen“ Namen. Es sei zu unterscheiden, ob die Firma oder die Geschäftsbezeichnung fortgeführt werden.

Anders argumentierte in früherer Rechtsprechung der Bundesgerichtshof (BGH). Er bejahte die Firmenfortführung im Sinne des Handelsgesetzbuchs (gem. § 25 HGB), sofern der Verkehr die neue Firma trotz vorgenommener Änderungen noch mit der alten identifiziert.

Quelle | OLG Brandenburg, Urteil vom 24.6.20, 7 U 44/19, Abruf-Nr. 218377 unter www.iww.de; BGH, Beschluss vom 7.12.2009, II ZR 229/08, Abruf-Nr. 100140 unter www.iww.de


Freiberufler und Gewerbetreibende:

Künstlersozialabgabe soll zum 1.1.2021 auf 4,4 % steigen

| Der Abgabesatz zur Künstlersozialversicherung soll ab 1.1.2021 um 0,2 % auf 4,4 % steigen. Dies hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) mitgeteilt. Durch den Einsatz zusätzlicher Bundesmittel in Form eines Entlastungszuschusses wurde ein Anstieg auf 4,7 % verhindert. |

Über die Künstlersozialversicherung werden derzeit mehr als 190.000 selbstständige Künstler und Publizisten als Pflichtversicherte in den Schutz der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung einbezogen. Der Abgabesatz wird jährlich für das jeweils folgende Kalenderjahr festgelegt. Bemessungsgrundlage sind alle in einem Kalenderjahr an selbstständige Künstler und Publizisten gezahlten Entgelte.

Die selbstständigen Künstler und Publizisten tragen, wie abhängig beschäftigte Arbeitnehmer, die Hälfte ihrer Sozialversicherungsbeiträge. Die andere Hälfte wird durch einen Bundeszuschuss (20 %) und durch die Künstlersozialabgabe der Unternehmen (30 %), die künstlerische und publizistische Leistungen verwerten, finanziert.

Quelle | BMAS, „Künstlersozialabgabe steigt im kommenden Jahr leicht auf 4,4 %“, Mitteilung vom 20.10.2020


EU-Konformität/Corona-Pandemie:

Reform des Unternehmensinsolvenzrechts auf den Weg gebracht

| Die Bundesregierung hat den Entwurf eines „Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts“ (StaRUG) vorgelegt. Neben der Umsetzung einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2019 soll das Sanierungs- und Insolvenzrecht der Sondersituation durch die COVID-19-Pandemie Rechnung tragen. Man ist sich der Dringlichkeit bewusst und gibt Vollgas: Bereits zum Jahreswechsel soll das Gesetz in Kraft treten. |

1. Vier Kernpunkte

Vier wesentliche Kernpunkte des Gesetzentwurfs sind:

  • Sanierung statt Liquidation
  • mehr Möglichkeiten der Eigenverwaltung
  • Haftung in der Eigenverwaltung
  • verlängerte Insolvenzantragspflicht

1.1 Sanierung statt Liquidation

Ziel soll eine verstärkte Sanierung von Unternehmen statt der insolvenzrechtlichen Liquidation sein. Grundlage ist ein von den Gläubigern mehrheitlich angenommener Restrukturierungsplan. So soll in den Gruppen jeweils eine Summenmehrheit von 75% ohne zusätzliche Kopfmehrheit erforderlich sein. Für Kleingläubiger wird eine separate Gruppe gebildet.

1.2 Mehr Möglichkeiten der Eigenverwaltung

Die Voraussetzungen für die Eigenverwaltung sollen stärker an deren Zwecke und an die Interessen der Gläubigerschaft angebunden werden. Im Einzelfall soll danach auf die Bestellung eines Insolvenzverwalters verzichtet werden können, wenn und solange erwartet werden kann, dass der Schuldner bereit und in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubiger auszurichten. Voraussetzung ist der Nachweis, dass die Eigenverwaltung bereits frühzeitig und gewissenhaft vorbereitet worden ist.

1.3 Haftung in der Eigenverwaltung

Streitfragen, wie die Ermächtigung, Masseverbindlichkeiten zu begründen, und die Haftung der Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Unternehmensträger sollen geregelt werden.

Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Unternehmensträger sollen verpflichtet werden, im Rahmen der Ausübung des unternehmerischen Ermessens die Interessen der Gläubiger zu wahren, wenn der Unternehmensträger drohend zahlungsunfähig ist. Je näher der drohende Zahlungsausfall heranrückt, desto stärker soll das unternehmerische Ermessen durch die Erforderlichkeit der Abwehr der Gefahren für die Gläubiger eingeschränkt werden.

Die schuldhafte Verletzung dieser Pflichten soll zur Haftung gegenüber dem Unternehmensträger führen. Macht der Schuldner hingegen Gebrauch von den Instrumenten des präventiven Rahmens oder begibt er sich in ein Eigenverwaltungsverfahren, soll die Haftung unmittelbar gegenüber den Gläubigern bestehen.

Die Überschuldung und die drohende Zahlungsunfähigkeit werden durch eine Änderung der Prognosezeiträume stärker voneinander abgegrenzt:

  • Für die Überschuldung gilt künftig ein Zeitraum von einem Jahr.
  • Für die drohende Zahlungsunfähigkeit gilt künftig ein Zeitraum von zwei Jahren.

Hierdurch soll gewährleistet werden, dass im zweiten Jahr des Prognosezeitraums eine Konkurrenz von drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ausgeschlossen ist.

1.4 Verlängerte Insolvenzantragspflicht

Der maximale Zeitraum, um einen Insolvenzantrag zu stellen, soll von drei auf sechs Wochen ausgedehnt werden. Dies soll dem Schuldner die Möglichkeit geben, Sanierungen im präventiven Restrukturierungsrahmen oder auf der Grundlage eines Eigenverwaltungsverfahrens ordentlich und gewissenhaft vorzubereiten.

Der Prognosezeitraum für die Fortführungsprognose im Überschuldungstatbestand soll vorübergehend verkürzt werden, um Unternehmen zu helfen, die infolge der Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie in Zahlungsschwierigkeiten gekommen sind.

2. Elektronische Kommunikation

Unterstützend wird im Zusammenhang mit den Folgen der Pandemie verstärkt auf den Einsatz der elektronischen Kommunikation bei der Durchführung von und Abstimmung in Gläubigerversammlungen über Insolvenz- oder Restrukturierungspläne gesetzt.

Quelle | Gesetzentwurf vom 14.10.20, „Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts“, BR-Drucksache 619/20, abrufbar unter www.iww.de/s4289; EU-Richtlinie (2019/1023) „über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz)“ vom 20.6.19

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