Sozialversicherung:
Anforderungen an Stimmrechtsvereinbarung beim Gesellschafter-Geschäftsführer
| Vereinbarungen der Gesellschafter über ein Vetorecht in der Gesellschafterversammlung sind nur dann für die sozialrechtliche Einstufung der Tätigkeit des minderheitsbeteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers (GGf) relevant, wenn diese einen Stimmbindungswillen der Gesellschafter hinreichend klar zum Ausdruck bringen. |
Daran fehlt es nach einer Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Bremen, wenn der GGf nicht über eine gesellschaftsvertraglich eingeräumte Sperrminorität verfügt. Es liegt mit dieser Aussage auf einer Linie mit der neuen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16.12.2015, L 2 R 268/15, Abruf-Nr. 185433 unter www.iww.de.
Gewinnermittlung:
Gewinnermittlungsart: Kein erneuter Wechsel nach wirksamer Ausübung des Wahlrechts
| Nach wirksam ausgeübter Wahl ist ein erneuter Wechsel der Gewinnermittlungsart für das gleiche Wirtschaftsjahr auch vor Eintritt der Bestandskraft nur zulässig, wenn ein besonderer Grund vorliegt. Dazu zählt nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) aber nicht der bloße Irrtum über die steuerlichen Folgen dieser Wahl. |
Hintergrund: Nicht Buchführungspflichtige können grundsätzlich wählen, ob sie ihren Gewinn mittels Betriebsvermögensvergleich (Bilanzierung) oder Einnahmen-Überschussrechnung ermitteln. Ein beliebiges Hin- und Herwechseln ist aber nicht zulässig.
Maßgeblich für die Ausübung des Wahlrechts ist die tatsächliche Handhabung der Gewinnermittlung. So hatte der Steuerpflichtige sein Wahlrecht im Streitfall zugunsten einer Einnahmen-Überschussrechnung wirksam ausgeübt. Denn der BFH wertete die Übermittlung der Einnahmen-Überschussrechnung unter Erklärung eines Übergangsgewinns an das Finanzamt als Beweisanzeichen dafür, dass der Unternehmer die Gewinnermittlung als endgültig ansah.
Ist das Wahlrecht vor Eintritt der Bestandskraft bereits wirksam ausgeübt worden, ist diese Wahl nachträglich nicht mehr zu ändern. Vielmehr bleibt der Steuerpflichtige nach einem Wechsel grundsätzlich für drei Wirtschaftsjahre an diese Wahl gebunden. Er kann nur bei einem besonderen Grund vor Ablauf dieser Frist wieder zurückwechseln.
Im Streitfall war ein besonderer wirtschaftlicher Grund für einen wiederholten Wechsel der Gewinnermittlungsart weder ersichtlich noch wurde er vom Steuerpflichtigen dargelegt. Vielmehr begehrte der Steuerpflichtige die Rückkehr zur Bilanzierung, um die versagte Teilwertabschreibung auf ein Flurstück dem Grunde nach doch noch zu ermöglichen. Denn eine Teilwertabschreibung ist bei der Einnahmen-Überschussrechnung ausgeschlossen.
Quelle | BFH, Urteil vom 2.6.2016, IV R 39/13, Abruf-Nr. 188697 unter www.iww.de.
Aktuelle Gesetzgebung:
Saison-Kurzarbeitergeld: Anzeigepflicht entfällt vollständig
| Die Anzeigepflicht für Saison-Kurzarbeitergeld entfällt künftig vollständig. Unternehmen die Saison-Kurzarbeitergeld beziehen können, werden damit spürbar entlastet. |
Bislang mussten die Unternehmen bei wirtschaftlich bedingten Arbeitsausfällen wie Auftragsmangel eine Anzeige über den Beginn des Ausfalls bei der Agentur für Arbeit stellen. Beruhte der Arbeitsausfall auf der Witterung, war dies nicht notwendig.
Mit der gesetzlichen Neuregelung ist die Anzeigepflicht nun vollständig entfallen. Damit senkt man den bürokratischen Aufwand und entlastet Unternehmen und Arbeitsagenturen. Für den Bezug des Saison-Kurzarbeitergelds (Saison-KuG), egal durch welchen Ausfall verursacht, müssen künftig nur noch die entsprechenden Abrechnungsunterlagen eingereicht werden. Aufzeichnungen, die Gründe für die Arbeitsausfälle belegen, sind auch weiterhin aufzubewahren.
Ausführliche Hinweise zum Saison-KuG und alle erforderlichen Vordrucke sind im Internet unterwww.arbeitsagentur.de > Unternehmen > Finanzielle Hilfen > Kurzarbeitergeld abrufbar.
Hintergrund: Das Saison-KuG kann von Dezember bis März für Betriebe des Baugewerbes, des Dachdeckerhandwerks und des Garten- und Landschaftsbaus in Anspruch genommen werden. In Betrieben des Gerüstbaus beginnt die Schlechtwetterzeit am 1. November und endet am 31. März. Diese Leistung sichert die Beschäftigung bei Ausfällen durch Witterung oder Auftragsmangel. Die Neuregelung beruht auf dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung“ (AWStG). Hier wurde die Regelung zur Anzeige des Arbeitsausfalls beim Saison-KuG ersatzlos gestrichen (§ 101 Abs. 7 SGB III).
Im Schlechtwetterzeitraum 2015/16 wurden bundesweit allein ca. 17.500 Anzeigen für Saison-KuG gestellt, die ab nun wegfallen und Unternehmen wie Arbeitsagenturen entlasten.
Umsatzsteuer: Vorsteuerabzug:
Der Europäische Gerichtshof hält rückwirkende Rechnungsberichtigungen für zulässig
| Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist es möglich, fehlerhafte Rechnungen auch rückwirkend zu berichtigen. Damit kann der Vorsteuerabzug gerettet und eine Verzinsung vermieden werden. |
Hintergrund
Wird der Vorsteuerabzug in einer Betriebsprüfung wegen einer unvollständigen Rechnung versagt, kann dies mitunter zu hohen Nachzahlungszinsen führen. Nach Ansicht der Verwaltung kann der Vorsteuerabzug bei Rechnungsberichtigungen nämlich erst zu dem Zeitpunkt in Anspruch genommen werden, in dem der Rechnungsaussteller die Rechnung berichtigt und die zu berichtigenden Angaben an den Rechnungsempfänger übermittelt hat.
Ob eine Rechnung auch rückwirkend berichtigt werden kann, sodass keine Verzinsung anfällt, wird in Deutschland seit Jahren diskutiert. Aktuell hat der Europäische Gerichtshof seine Rechtsprechung nach einer Vorlage des Finanzgerichts Niedersachsen präzisiert.
Entscheidung
Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs können Rechnungen mit Rückwirkung auf den ursprünglichen Ausstellungszeitpunkt berichtigt werden. Durch die deutsche Handhabung wird die Neutralität der Umsatzsteuer eingeschränkt.
Beachten Sie | Der Europäische Gerichtshof hält die Verzinsung zwar für unangemessen. Allerdings sind die Mitgliedstaaten befugt, Sanktionen für den Fall der Nichterfüllung der formellen Bedingungen für die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts vorzusehen – etwa die Auferlegung einer Geldbuße oder einer finanziellen Sanktion, die in angemessenem Verhältnis zur Schwere des Verstoßes steht.
Offene Fragen
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist sicherlich zu begrüßen. Es ist jedoch auch zu konstatieren, dass (erneut) nicht alle relevanten Fragen beantwortet wurden. So erging das Urteil zur Rückwirkung einer nachträglich ergänzten USt-Identifikationsnummer. Welche Mindestanforderungen an die Rechnung zu stellen sind, damit diese rückwirkend berichtigt werden kann, blieb (leider) offen.
Ebenfalls ungeklärt ist der späteste Korrekturzeitpunkt – oder mit anderen Worten: Bis zu welchem Zeitpunkt muss eine Rechnung korrigiert werden, um Rückwirkung entfalten zu können?
Angesichts dieser offenen Fragen wird es wohl noch etwas dauern, bis endlich Rechtssicherheit besteht.
Quelle | EuGH vom 15.9.2016, C-518/14, Rs. Senatex, Abruf-Nr. 188726 unter www.iww.de.