Baurecht Info - 08.2023

2.08.2023
|
Architektenhaftung:

Leistungsphase 8: Einweisung ist Pflicht

| Das Oberlandesgericht (OLG) Jena hat jetzt klargestellt: Selbst bei einfachen, gängigen Tätigkeiten, die für die Funktionalität der Gesamtwerkleistung nicht wichtig sind, sind stichprobenartige Kontrollen erforderlich. Folglich besteht die Bauüberwachungspflicht des Architekten auch bei handwerklichen Selbstverständlichkeiten. Sie ist nur bei der Kontrolldichte herabgesetzt. |

Bei allen handwerklichen Selbstverständlichkeiten schulden Architekten zumindest eine Einweisung, die Vornahme von Stichproben und eine Endkontrolle. Das hatte der Architekt im Fall des OLG versäumt. Er hatte Putzarbeiten nicht überwacht, weil er meinte, bei solchen handwerklichen Selbstverständlichkeiten bestehe keine Überwachungspflicht. Das OLG bezog sich auf die gängige Rechtsprechung. Es machte den Architekten für Risse im Bauwerk schadenersatzpflichtig. Im Zuge der Putzarbeiten hätte ihm auffallen müssen, dass die Dämmung im Bereich der Stürze mit einem normalen Dämmstoff ohne einen Putzträger ausgebildet worden war.

Quelle | OLG Jena, Urteil vom 17.2.2022, 8 U 1133/20, Abruf-Nr. 234744 unter www.iww.de


EU-Recht:

250 Meter zwischen Wettvermittlungsstellen und Schulen?

| Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die landesrechtliche Glücksspielregelung, die einen Mindestabstand zwischen Wettvermittlungsstellen und Schulen von 250 Metern vorsieht, für voraussichtlich unionsrechtswidrig erachtet und der Beschwerde eines Passauer Wettvermittlungsunternehmens stattgegeben. |

Die Regierung von Niederbayern hatte einem Unternehmen untersagt, eine Wettvermittlungsstelle in ca. 65 Metern Entfernung zu einer weiterführenden Schule in Passau zu betreiben. Begründet hatte es dies mit einem Verstoß gegen eine landesrechtliche Glücksspielregelung, die einen Mindestabstand von 250 Metern zu Schulen und anderen ähnlichen Einrichtungen vorsieht. Der dagegen gerichtete Eilantrag blieb beim Verwaltungsgericht (VG) ohne Erfolg.

Der BayVGH hat den Beschluss des VG nun geändert und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Untersagung der Sportwettvermittlung angeordnet. Das Mindestabstandsgebot sei zwar geeignet, die Verwirklichung des mit ihm verfolgten Ziels des Jugend- und Spielerschutzes zu gewährleisten, da es die Gelegenheiten zum Spiel verringerte. Es verletze jedoch voraussichtlich die europarechtlich garantierte Dienstleistungsfreiheit, weil für Spielhallen und ähnliche Betriebe mit Geldspielgeräten auf schutzwürdige Personen keine entsprechenden Vorgaben bestünden. Das Gefährdungs- und Suchtpotenzial von Geldspielgeräten sei nach wissenschaftlichen Untersuchungen als mindestens ebenso hoch wie das von Sportwetten anzusehen. Es liege ein Verstoß gegen das sog. europarechtliche Kohärenzgebot vor, wonach Regelungen, die die Glücksspieltätigkeit einschränken, nicht durch eine gegenläufige Politik in anderen Glücksspielbereichen mit einem gleich hohen oder höheren Suchtpotenzial unterlaufen werden dürfen.

Die landesrechtliche Regelung, die in Bayern ein Mindestabstandsgebot von 250 Metern vorsehe, müsse deshalb wegen des Vorrangs des Unionsrechts unangewendet bleiben. Gegen den Beschluss des BayVGH gibt es kein Rechtsmittel.

Quelle | BayVGH, Beschluss vom 21.3.2023, 23 CS 22.2677, PM vom 21.3.2023


Klimaschutz:

Kleinwindenergieanlagen für den Eigenbedarf sind im Außenbereich privilegiert

| Kleinwindenergieanlagen können als privilegierte Vorhaben im Außenbereich zugelassen werden, unabhängig von der Frage, ob der mit ihnen produzierte Strom zum Eigenbedarf verwendet oder ins öffentliche Stromnetz eingespeist werden soll. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz. |

Das war geschehen

Die Kläger beantragten für ihr im Außenbereich liegendes Grundstück die Erteilung eines Bauvorbescheides für die Errichtung von vier Kleinwindenergieanlagen (KWEA) mit einer jeweiligen Gesamthöhe von 6,5 m. Diesen lehnte der Beklagte u. a. mit dem Argument ab, die KWEA seien nicht als im Außenbereich privilegierte Vorhaben zu behandeln, da hierunter nur solche Windenergieanlagen zu fassen seien, die der öffentlichen Versorgung dienten. Eine Einspeisung des Stroms in das öffentliche Stromnetz sei von den Klägern jedoch nicht beabsichtigt. Zudem stünden öffentliche Belange dem Vorhaben entgegen.

Strom sollte noch zu gründende Imkerei betreiben

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren verfolgten die Kläger ihr Begehren im Klageverfahren weiter und trugen vor, ihr Vorhaben sei bereits deshalb genehmigungsfrei, weil es einem landwirtschaftlichen Betrieb diene. Sie beabsichtigten die Errichtung eines ökologisch ausgerichteten Imkereibetriebs, der mit dem aus der KWEA gewonnenen Strom betrieben werden solle. Jedenfalls hätten sie einen Anspruch auf Erteilung des Bauvorbescheids.

Start der Imkerei erst für 2027 geplant

Die Klage hatte teilweise Erfolg. Zwar sei das Vorhaben genehmigungspflichtig, da es keinem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des Gesetzes diene, so das VG. Denn ein vernünftiger Landwirt würde unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs zunächst den Betrieb gründen, alle hierfür zwingend erforderlichen Maßnahmen durchführen und erst danach dem Betrieb dienende KWEA errichten. Die Kläger hätten hingegen bereits mit der Errichtung der KWEA begonnen, obwohl sie nach ihrem Betriebsplan erst ab dem Jahr 2027 die Energie von vier KWEA für die Imkerei benötigten.

KWEA-Vorhaben war aus anderen Gründen privilegiert

Das Vorhaben sei jedoch nach dem Baugesetzbuch (hier: § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB) privilegiert, weil es der Nutzung der Windenergie diene. Sowohl dem Wortlaut als auch der Systematik der gesetzlichen Vorschrift lasse sich ein Ausschluss von Kleinwindenergieanlagen zur Deckung des Eigenbedarfs nicht entnehmen. Schließlich spreche auch der Sinn und Zweck des Privilegierungstatbestandes die Förderung der Windenergie als positiven Beitrag zum Klimaschutz für dieses Verständnis. Öffentliche Belange, die Gegenstand der Bauvoranfrage seien, ständen dem Vorhaben nicht entgegen. Weder verursachten die Anlagen eine erhebliche Verunstaltung des Landschaftsbilds zumal die Kläger eine farbliche Anpassung an die sich in der Nähe befindlichen Bäume angeboten hätten noch sei die Verfestigung einer Splittersiedlung zu befürchten.

Das VG hat die Berufung zugelassen.

Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 27.2.2023, 1 K 604/22.KO, PM 6/23

Comments are closed.

Previous Next
Close
Test Caption
Test Description goes like this