Baurecht Info - 09.2023

2.09.2023
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Architektenhonorar:

Was ist „anderweitiger Erwerb“ beim gekündigten Vertrag?

| Nach einer freien Kündigung des Auftraggebers können Architekten die vereinbarte Vergütung abrechnen. Sie müssen sich das anrechnen lassen, was sie infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung ihrer Arbeitskraft erworben haben („anderweitiger Erwerb“). Oft ist aber umstritten, was ein solcher „anderweitiger Erwerb“ ist. Das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg hat dazu jetzt Klartext gesprochen. |

Das müssen Architekten darlegen und beweisen

Der Vergütungsanspruch für nicht erbrachte Leistungen ermittelt sich als Differenz zwischen der für die nicht ausgeführten Leistungen vereinbarten Vergütung einerseits und ersparten Aufwendungen und anderweitigem Erwerb andererseits. Als Unternehmer müssen Architekten ihre Forderungen darlegen und zu ersparten Aufwendungen und anderweitigem Erwerb vortragen und deren Höhe beziffern. Sie müssen die vereinbarte Vergütung darlegen und darüber hinaus erklären, welche Kosten sie sich erspart haben und welchen anderweitigen Erwerb sie sich anrechnen lassen müssen.

Oberlandesgericht legt Definition von „anderweitigem Erwerb“ vor

Das OLG Naumburg definiert den „anderweitigen Erwerb“ gemäß Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) wie folgt: „Sinn und Zweck des Anspruchs nach § 649 S. 2 BGB a. F. ist es, den Unternehmer schadlos zu stellen, die Kündigung für ihn wirtschaftlich zu neutralisieren, dafür zu sorgen, dass ihm aus ihr weder Vorteile noch Nachteile erwachsen. Nach § 649 S. 2 BGB a. F. ist daher nicht jeder Erwerb anzurechnen, der durch die frei gewordenen Kapazitäten erzielt wird. Vielmehr muss der Erwerb zweifelsfrei durch die Kündigung des Bestellers verursacht sein. Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Kündigung und einem Ersatzauftrag bestehen, d. h. ohne die Kündigung müsste die anderweitige Vergütung ausgeblieben sein. Dies ist nicht der Fall, wenn der Unternehmer seine Leistungskapazität auf andere bereits vorhandene Werkverträge konzentriert. Ist der Betrieb des Unternehmers in der Lage gewesen, zur gleichen Zeit neben dem gekündigten Werkvertrag auch noch andere Aufträge auszuführen, die ihm unabhängig von der Kündigung von Dritten erteilt wurden, wovon in der Regel auszugehen ist, sind die Erträge aus diesen Aufträgen nicht anzurechnen.“

Quelle | OLG Naumburg, Urteil vom 24.11.2022, 2 U 180/21, Abruf-Nr. 235932 unter www.iww.de


Fördermittelantrag:

Entgangene Zuschüsse: Energieberater haftet nicht

| Die Aufgabe eines Energie-Effizienz-Experten besteht bei der KfW-Förderung in der Regel darin, den Bauherrn über passende Sanierungsmaßnahmen für sein Gebäude zu beraten und die „Bestätigung zum Antrag“ bzw. später die „Bestätigung nach Durchführung“ zu erstellen. Eine Garantie, das Fördermittel zu erreichen, schuldet er nicht. Ausnahme: Es wurde vertraglich etwas anderes vereinbart. Das hat das Landgericht (LG) Bielefeld jetzt klargestellt. |

Keine Fördermittel trotz Beratung

Dem Bauherrn waren beantragte Fördermittel nicht bewilligt worden. Denn eine Frist, um Unterlagen einzureichen, die einen hydraulischen Abgleich nachweisen sollten, war verstrichen. Da der Energie-Effizienz-Experte als technischer Berater lediglich eine Dienstleistung im Sinne einer fachlichen Beratung schulde, bestehe keine vertragliche Verpflichtung dahingehend, die Fristenkontrolle für den Bauherrn zu übernehmen, da der Energie-Effizienz-Experte auch nicht dafür zuständig gewesen sei, den Antrag zu stellen, so das LG.

Kein Erfolg geschuldet nur Beratung

Das LG schloss sich damit dem Oberlandesgericht (OLG) Celle an. Dieses hatte schon entschieden: Ein Energie-Effizienz-Experte ist zum einen technischer Berater für den Bauherrn, zum anderen übt er eine Kontrollfunktion gegenüber der KfW aus. Ein Vertrag über Beratungsleistungen im Rahmen der KfW-Förderung ist kein Werkvertrag, denn der Energie-Effizienz-Experte schuldet im Hinblick auf die übernommene Beratung keinen Erfolg, sondern lediglich eine Dienstleistung im Sinne einer fachlichen Beratung. Eine Garantie, die angegebenen Fördermittel zu erlangen, schuldet er grundsätzlich nicht.

Quelle | LG Bielefeld, Urteil vom 31.1.2023, 7 O 325/21, Abruf-Nr. 234585 unter www.iww.de


Planungsrecht:

Ohne wirksame Einbeziehung der VOB/B keine Kündigung bei Mängeln vor Abnahme

| Von einem Planer kann erwartet werden, dass er den Wortlaut des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) kennt sowie die Grundzüge der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Das ist gängige Rechtsprechung zur Beratungspflicht gegenüber Auftraggebern. Dies spielte in einem aktuellen Fall des BGH eine große Rolle, in dem es um Kündigungsmöglichkeiten gegenüber ausführenden Unternehmen, die mit Mängelbeseitigungsverlangen lax umgingen. |

Darum ging es

Ein Auftraggeber beauftragte einen Straßen- und Tiefbauer als Subunternehmer, Arbeiten entlang einer Stadtbahntrasse durchzuführen. Die Parteien bezogen in den Vertrag die VOB/B ein. Die Auftragssumme belief sich auf ca. drei Millionen Euro. Während der Ausführung rügte der Auftraggeber mehrfach die Qualität des verbauten Betons und verlangte unter Fristsetzungen die Beseitigung des Mangels. In späteren Mängelrügen drohte er dem Auftragnehmer, den ganzen oder einen Teil des Auftrags außerordentlich zu kündigen. Der Tiefbauer beseitigte die behaupteten Mängel nicht. Diese hätten mit einem Aufwand von ca. 6.000 Euro bei laufendem Baubetrieb in zwei bis drei Arbeitstagen erledigt werden können. Nach Ablauf der letzten gesetzten Frist kündigte der Auftraggeber den Bauvertrag hinsichtlich aller zu diesem Zeitpunkt noch nicht erbrachten Arbeiten.

So sah es der Bundesgerichtshof

Der BGH hielt die Kündigung für unwirksam. Entscheidend dafür war, dass die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart war, sondern an verschiedenen Stellen davon abwich. In einem solchen Fall sei jede Regelung der VOB/B dahingehend zu überprüfen, ob sie mit dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vereinbar sei. Für den hier einschlägigen Paragrafen (§ 4 Nr. 7 S. 3 i. V. m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 Var. 1 VOB/B) gelte das nicht. Eine Kündigung aus wichtigem Grund setze voraus, dass der Auftragnehmer durch ein den Vertragszweck gefährdendes Verhalten die vertragliche Vertrauensgrundlage zum Auftraggeber derart erschüttert habe, dass diesem unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Das sei hier nicht gegeben.

Quelle | BGH, Urteil vom 19.1.2023, VII ZR 34/20, Abruf-Nr. 234044 unter www.iww.de

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