Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht Info - 02.2022

2.02.2022
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Vertriebsmodell:

Ausgabe von Arzneimitteln durch Automaten verboten

| Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat entschieden: Das vom Regierungspräsidium Karlsruhe gegenüber einer niederländischen Versandapotheke ausgesprochene Verbot, in den Räumen einer ehemaligen Apotheke in Hüffenhardt apothekenpflichtige Arzneimittel mittels eines Automaten in den Verkehr zu bringen, ist rechtmäßig. |

Die Berufung der niederländischen Versandapotheke gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Karlsruhe wurde damit zurückgewiesen. Die Revision hat der VGH nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) eingelegt werden.

Quelle | VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.10.2021, 9 S 527/20


Landwirte:

Ab 2022 sinkt die pauschale Umsatzsteuer auf 9,5 %

| Der Umsatzsteuer-Durchschnittssatz für die vereinfachte Besteuerung pauschalierender land- und forstwirtschaftlicher Betriebe sinkt ab 2022 von 10,7 auf 9,5 %. Daraus kann insbesondere für Betriebe mit erheblichen Investitionen eine (deutliche) steuerliche Mehrbelastung resultieren. |

Nach dem Umsatzsteuergesetz (§ 24 UstG) können Betriebe bis zu einem Jahresumsatz von 600.000 Euro die Pauschalierung nutzen. Das Jahressteuergesetz 2020 regelt, dass die Höhe der Vorsteuerbelastung der pauschalierenden Landwirte jährlich anhand aktueller statistischer Daten überprüft werden muss sie ist ein wichtiges Kriterium für die Festlegung der Durchschnittssätze.

Nach Angaben der Bundesregierung wäre der Durchschnittssatz von 10,7 % ab 2022 nicht mehr zulässig, weil er gegen die EU-Richtlinie über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verstoßen würde.

Quelle | Gesetz zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben im Umsatzsteuerrecht, BGBl I 2021, S. 5250; 1014. Sitzung des Bundesrats vom 17.12.2021, BundesratKOMPAKT, TOP 2, Änderungen bei Steuer für landwirtschaftliche Betriebe


Datenschutz:

Online-Versandapotheke darf Geburtsdatum nicht bei jedem Produkt abfragen

| Das Verwaltungsgericht (VG) Hannover hat die Klage einer Online-Versandapotheke abgewiesen, die unabhängig von der Art des bestellten rezeptfreien Medikamentes das Geburtsdatum des Bestellers abfragen wollte. |

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Firma mit Sitz in Niedersachsen und Betreiberin einer Online-Versandapotheke. Die beklagte Landesbeauftrage für den Datenschutz Niedersachsen (LfD) wies die Klägerin an, es zu unterlassen, unabhängig von der Art des bestellten Medikaments das Geburtsdatum des Bestellers zu erheben und zu verarbeiten. Zudem wies sie die Klägerin zur Unterlassung der Verwendung der im Bestellprozess erhobenen Anrede (Herr/Frau) an, soweit Gegenstand der Bestellung Medikamente seien, die nicht geschlechtsspezifisch zu dosieren und/oder einzunehmen seien.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage vor dem VG erhoben. Die Klägerin hatte bereits vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Anrede „Herr/Frau“ die Auswahloption „ohne Angabe“ in ihrem Bestellformular eingefügt. Die Parteien haben diesbezüglich übereinstimmend das Verfahren für erledigt erklärt.

So argumentiert die Klägerin

Bezüglich der Abfrage des Geburtsdatums trug die Klägerin vor, aufgrund der für Apotheker geltenden Berufsordnung bestimmten Beratungsobliegenheiten zu unterfallen. Hierzu gehöre auch die Pflicht zur altersgerechten Beratung. Um diese Pflicht erfüllen zu können, müsse eine entsprechende Abfrage im Bestellprozess erfolgen. Zudem habe sie ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, ob der Besteller bzw. die Bestellerin volljährig und damit voll geschäftsfähig sei.

So argumentiert das Gericht

Dem ist das Gericht nicht gefolgt. Es hat zunächst klargestellt, dass der gerügte Bestellvorgang sich nur auf rezeptfrei erwerbbare Produkte beziehe. Die Verarbeitung des Geburtsdatums in diesem Bestellvorgang habe nach Ansicht des VG zumindest für solche Produkte zu unterbleiben, die keine altersspezifische Beratung erforderten. Ein Blick auf die von der Klägerin auf ihrer Webseite angebotenen Produktpalette zeige, dass sie eine große Zahl von Drogerieartikeln, aber auch apothekenpflichtigen Medikamenten anbiete, die nicht altersspezifisch zu dosieren seien. Für diese Produkte könne in der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) nachdem sich die Klägerin bislang von ihren Kunden im Bestellprozess auch keine Einwilligung zur Datenverarbeitung einhole keine Rechtsgrundlage zur Datenverarbeitung gefunden werden.

Prinzip der Datenminimierung

Soweit die Klägerin die Geschäftsfähigkeit ihrer Kunden überprüfen wolle, erfordere das datenschutzrechtliche Prinzip der Datenminimierung, dass nur die Volljährigkeit und nicht das genaue Geburtsdatum abgefragt werde.

Quelle | VG Hannover, Urteil vom 9.11.2021, 10 A 502/19, PM vom 10.11.2021


Prostituiertenschutzgesetz:

Tantramassage ist sexuelle Dienstleistung

| Ein Tantramasseur ist verpflichtet, sich als Prostituierter anzumelden und regelmäßig an einer durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst angebotenen gesundheitlichen Beratung teilzunehmen. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf jetzt entschieden und die Klage eines Betroffenen gegen eine entsprechende Verfügung des Kreises Mettmann abgewiesen. |

Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt: Bei den vom Kläger gegen Entgelt angebotenen Massagen handele es sich um sexuelle Dienstleistungen im Sinne des Prostituiertenschutzgesetzes, weshalb der Kläger als Prostituierter im Sinne des Gesetzes anzusehen sei. Dem Gesetz liege insoweit ein weites Verständnis von Prostitution und sexuellen Dienstleistungen zugrunde. Entgegen der Auffassung des Klägers treffe der Zweck des Gesetzes, der u. a. im Schutz der Gesundheit der beteiligten Personen bestehe, auch auf ihn zu, da bei der in Rede stehenden Dienstleistung ein erhöhtes Risiko bestehe, sich mit Geschlechtskrankheiten zu infizieren.

Da der Frage, was unter einer „sexuellen Handlung“ zu verstehen ist, wegen der vielschichtigen Fallgestaltungen eine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme, hat das Gericht die Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) zugelassen.

Quelle | VG Düsseldorf, Urteil vom 17.11.2021, 29 K 8461/18, PM vom 17.11.2021


BFH-Urteil:

Kein strukturelles Vollzugsdefizit bei bargeldintensiven Betrieben in 2015

| Im Jahr 2015 bestand hinsichtlich der Erfassung von Bareinnahmen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch bei bargeldintensiven Betrieben mit offener Ladenkasse kein dem Gesetzgeber zuzurechnendes strukturelles Vollzugsdefizit. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |

Ein Steuerpflichtiger setzte zur Ermittlung seiner Besteuerungsgrundlagen in seinen Gaststätten elektronische Registrierkassen ein. Er war der Ansicht, dass die fehlende gesetzliche Verpflichtung, eine elektronische Kasse zu führehn, ein strukturelles, dem Gesetzgeber zuzurechnendes Vollzugsdefizit verursache und deshalb verfassungswidrig sei.

Bei offenen Ladenkassen, wie sie gerade im Bereich der Gastronomie häufig eingesetzt würden, habe die Finanzbehörde keine nennenswerten Möglichkeiten, den angegebenen Umsatz auf seinen Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Jedenfalls blieben die Prüfungsmöglichkeiten weit hinter dem zurück, was bei Registrierkassen möglich sei. Dadurch werde eine gleichmäßige Steuerfestsetzung ausgeschlossen und er, der bereits elektronische Registrierkassen einsetze, werde in seinem Recht auf Gleichbehandlung verletzt.

Seine Klage und die Revision vor dem BFH blieben allerdings erfolglos. Nach Auffassung des BFH bestanden 2015 zwar offensichtliche Probleme bei der Erhebung und Verifikation von Besteuerungsgrundlagen im Bereich der bargeldintensiven Geschäftsbetriebe (wie z. B. der Gastronomie). Diese führten aber nicht zu einem strukturellen, dem Gesetzgeber zuzurechnenden Erhebungsmangel, der zur Verfassungswidrigkeit der Besteuerung führen könnte. Vielmehr bestand auch für solche Betriebe im Jahr 2015 eine Rechtslage, die auf die Durchsetzung der geltenden Steuergesetze abzielte.

Auch für Betreiber einer offenen Ladenkasse bestand ein Entdeckungsrisiko bei Manipulationen. Die geltenden Erhebungsregeln waren nicht derart ineffektiv, dass ein Unterlassen weiterer Regelungen bezüglich der Besteuerung von Betrieben mit offener Ladenkasse im Bereich der Gastronomie dem Gesetzgeber als strukturelles Vollzugsdefizit angelastet werden könnte.

Quelle | BFH, Urteil vom 16.9.2021, IV R 34/18, Abruf-Nr. 226450 unter www.iww.de; BFH, PM 43/21 vom 16.12.2021

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