Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht Info - 07.2023

2.07.2023
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Sparkassen-Prämiensparverträge:

Lang erwartetes Urteil zur Zinsanpassung

| Das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg hat in einem Musterfeststellungsverfahren eines Verbraucherschutzverbandes gegen eine Sparkasse entschieden: Sparkassen sind verpflichtet, die Zinsanpassung für Sparverträge auf der Grundlage der Zinsreihe der Deutschen Bundesbank für börsennotierte Bundeswertpapiere mit 8 bis 15-jähriger Restlaufzeit vorzunehmen. |

Der klagende Verbraucherschutzverband hat die Feststellung der Voraussetzungen für die Zinsberechnung bei Prämiensparverträgen der beklagten Sparkasse begehrt, die ab dem Jahr 1993 bis Anfang 2006 ausgereicht und spätestens im Jahr 2018 beendet waren. Das OLG hat nach Einholen eines Sachverständigengutachtens festgestellt, dass die Zinsberechnung anhand der im Urteilsausspruch bezeichneten Zinsreihe aus den von der Bundesbank veröffentlichten Zinssätzen vorzunehmen ist.

Bei dieser Zinsanpassung muss der relative Zinsabstand monatlich und ohne Berücksichtigung einer Zinsschwelle gewahrt bleiben. Außerdem sagt das OLG: Der vertragliche Anspruch von Kunden der im Musterverstellungsverfahren beklagten Sparkasse, die Verbraucher sind, entsteht hinsichtlich des Guthabens und der Zinsen aus den streitgegenständlichen Prämiensparverträgen frühestens ab dem Zeitpunkt der wirksamen Beendigung des Sparvertrags.

Quelle | OLG Naumburg, Urteil vom 9.2.2023, 5 MK 1/20, PM 2/23


Freiberufler und Gewerbetreibende:

Corona-Hilfen sind nicht ermäßigt zu besteuern

| Nach einer aktuellen Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Münster sind die im Jahr 2020 gezahlten Corona-Hilfen keine außerordentlichen Einkünfte, die in der Einkommensteuer nur ermäßigt zu besteuern wären. |

Ein Steuerpflichtiger führte als Einzelunternehmer einen Gewerbebetrieb, der eine Gaststätte und ein Hotel umfasste. Im Streitjahr 2020 war er von zeitweisen betrieblichen Einschränkungen und Schließungen aufgrund der Coronaschutzverordnungen des Landes NRW betroffen. Ihm wurden pandemiebedingte Soforthilfen, Überbrückungshilfen und vergleichbare Zuschüsse i. H. von 64.254 Euro gewährt.

Das Finanzamt unterwarf die erhaltenen Corona-Hilfen der tariflichen („normalen“) Einkommensteuer, was das FG Münster nun bestätigte.

Für das FG Münster kam eine ermäßigte Besteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (§ 34 Abs. 1 EstG) nicht in Betracht. Die Begründung: Es liegen keine außerordentlichen Einkünfte vor, da es an einer Zusammenballung der Einkünfte fehlt.

Das FG Münster hat die Revision gegen die Entscheidung nicht zugelassen.

Quelle | FG Münster, Urteil vom 26.4.2023, 13 K 425/22 E, Abruf-Nr. 235266 unter www.iww.de; FG Münster, Newsletter Mai 2023


Markenrechtsstreit:

Auf die Kleinschreibung kommt es nicht an: Verwechslungsgefahr bei Werbung für Automarken

| Das Landgericht (LG) München I hat in einem Markenstreit zwischen zwei Automobilherstellern zugunsten der Klageseite entschieden und der Beklagten die angegriffene Werbung untersagt. Der beklagte Autokonzern bewirbt auf seiner Internetseite zwei seiner Automobile mit seinem Firmennamen sowie dem Zusatz „es 6“ bzw. „es 8“ und plant die von ihm dergestalt beworbenen Fahrzeuge in Deutschland auf den Markt zu bringen. Der Kläger nutzt die für ihn eingetragenen Marken „S6“ und „S8“. |

Besteht Verwechslungsgefahr?

Der Kläger wandte sich mit seiner Klage auf Unterlassung, Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Feststellung des Schadenersatzes mit dem Argument, dass bezüglich der für ihn eingetragenen Marken Verwechslungsgefahr bestehe. Das LG bejahte dies.

Das LG ging davon aus, dass der in der Werbung zu sehende Firmenname für die Bewertung der Verwechselungsgefahr rechtlich außer Betracht bleiben muss. Denn es handle sich bei dem angegriffenen Zeichen erkennbar um eine Kfz-Typenbezeichnung. Es gebe im Automobilbereich die Gepflogenheit, Typenbezeichnungen als eigenständige Marken im Sinne von Zweitmarken anzusehen. Es gelte dann der Grundsatz, dass Marken als Ganzes zu vergleichen seien.

„E“ für „Elektro…“ ist keine Unterscheidung

Zwar weiche die angegriffene Gestaltung des beklagten Unternehmens durch den zusätzlichen Buchstaben „E“ im Zeichen der Beklagten schriftbildlich und klanglich merkbar von der klägerischen Marke „S 6“ und „S 8“ ab. Der zusätzliche Buchstabe „E“ sichere jedoch vorliegend keine hinreichende Unterscheidungskraft. Beide Marken würden zumindest in klanglicher Hinsicht gedanklich in Verbindung gebracht, was unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Klagemarke und bestehenden Warenidentität zu einer mittelbaren Verwechslungsgefahr führe.

Landgericht: Verwechslungsgefahr bestätigt

Der Buchstabe „E“ in Verbindung mit einem Produkt sei nämlich aktuell als Abkürzung für „Elektro“/ „elektronisch“ quasi allgegenwärtig. Der Buchstabengebrauch betreffe sämtliche Lebensbereiche (z. B. als E-Akte das Gericht), insbesondere aber auch den Automobilbereich. Die Bedeutung bzw. der Ausbau der sogenannten „E-Mobilität“ sei ein wichtiges Gesellschaftsthema. Dementsprechend werde ein Kraftfahrzeug, das über einen Elektromotor verfüge, nicht nur als Elektroauto, sondern auch sehr häufig kurz als „E-Auto“ bezeichnet. Es sei deshalb zu erwarten, dass ein erheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise das „E“ in dem angegriffenen Zeichen und damit den einzigen Unterschied zwischen den beiden Zeichen auch hier als in diesem Sinne beschreibend verstehe und darin lediglich einen Hinweis auf den Motortyp des Fahrzeugs sehe. Es bestehe die Gefahr, dass Verbraucher annehmen, der „ES 6“ sei der „S 6“ in der Elektroversion, die beiden Fahrzeuge seien vom selben Hersteller. Es gebe damit eine über die reine Assoziation hinausgehende Gefahr einer Verwechselung.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle | LG München I, Urteil vom 19.1.2023, 1 HK O 13543/21, PM 1/23


„Untreuer Gesellschafter“:

Einkünftezurechnung bei unrechtmäßigem Betriebsausgabenabzug

| Grundsätzlich ergibt sich der für die Verteilung der Einkünfte relevante Gewinnverteilungsschlüssel einer Mitunternehmerschaft entweder aus dem Gesetz oder aus den gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen. Bisher war strittig, wie mit der Zurechnung von Mehrgewinnen umzugehen ist, die durch einen Gesellschafter aufgrund einer unberechtigten Entnahme entstanden sind („untreuer Gesellschafter“). Mit einem solchen Sachverhalt hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) jüngst befasst. |

Das war geschehen

An der AB-GbR (Ingenieurbüro) waren A und B hälftig beteiligt. Der Gewinn wurde durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt. B hatte eine Vielzahl privater Aufwendungen (insgesamt 14.500 Euro) ohne Zustimmung des A aus Gesellschaftsmitteln beglichen (u.a. Reisen und Erwerb privater Gegenstände). Daher kündigte A das Gesellschaftsverhältnis fristlos und schied aus der GbR aus. Sein Anteil wuchs B zu, der das Ingenieurbüro als Einzelunternehmer fortführte.

Nach Überprüfung der Gewinnermittlung sah das Finanzamt den Betrag von 14.500 Euro als nicht betrieblich veranlasst an und erhöhte den Gesamtgewinn der GbR auf 69.000 Euro. Den Mehrgewinn rechnete das Finanzamt den Gesellschaftern A und B jeweils hälftig zu.

Mit privaten Aufwendungen war ein Gesellschafter nicht einverstanden

Gesellschafter A begehrte allerdings, den Mehrgewinn i. H. von 14.500 Euro allein seinem ehemaligen Mitgesellschafter zuzurechnen und nur den restlichen laufenden Gesamthandsgewinn hälftig zu verteilen. Weil das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg die Klage als unbegründet abwies, wandte sich A an den BFG und hier war er schließlich erfolgreich.

Ein Mehrgewinn, der aus der Korrektur nicht betrieblich veranlasster Betriebsausgaben stammt und im laufenden Gesamthandsgewinn enthalten ist, ist bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung abweichend vom allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen, wenn die Aufwendungen ausschließlich einem Mitunternehmer zugutegekommen sind.

Einnahmen-Überschussrechnung vs. Bilanzierung: unterschiedliche Auswirkungen

Bei der Einnahmen-Überschussrechnung ist es unerheblich, ob ein Ersatzanspruch der GbR gegen den untreuen Gesellschafter durchsetzbar und werthaltig ist. Da bei dieser Art der Gewinnermittlung das Zu- und Abflussprinzip gilt, kommt es zu keinem aktivierbaren Ausgleichsanspruch. Ein etwaiger Ersatzanspruch der Gesellschaft ist erst zu berücksichtigen, wenn er erfüllt wird. Demgegenüber ist bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich („Bilanzierung“) zu prüfen, ob ein werthaltiger Ersatzanspruch besteht, der zu aktivieren ist.

Quelle | BFH, Urteil vom 28.9.2022, VIII R 6/19, Abruf-Nr. 232573 unter www.iww.de

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