Familienrecht - Info 06.2022

10.06.2022
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„Ahnenforschung“:

Adelstitel ist durch Berichtigung im Geburtenregister nicht wiederzuerlangen

| Ein Nachfahre einer Adelsfamilie, die ihren Titel „Freiherr“ infolge der Französischen Revolution und der Besetzung der linksrheinischen Gebiete verloren hatte, kann diesen nicht im Rahmen der Berichtigung seines Geburtenregisters zurückerlangen, wenn bereits die Unrichtigkeit des zuvor eingetragenen Familiennamens des Vaters nicht hinreichend sicher festgestellt werden kann. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken. |

Die Familie des Beschwerdeführers ließ sich Ende des 18. Jahrhunderts im Raum Trier nieder. Infolge der Französischen Revolution und der Besetzung der linksrheinischen Gebiete wurden die Vorrechte des Adels, seine Prädikate und Titel aufgehoben. So verlor auch der Ur-Ur-Urgroßvater des Beschwerdeführers seinen Adelstitel „Freiherr“. Nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft wurde die Rheinprovinz im Rahmen der territorialen Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress 1814/1815 dem Königreich Preußen zuerkannt. Unter dem preußischen Herrschaftssystem gelang es dem Ur-Ur-Urgroßvater des Beschwerdeführers nicht mehr, seinen Adelstitel wiederzuerlangen.

Der Titel wurde auch nicht in das Geburtenregister des Beschwerdeführers Mitte des 20. Jahrhunderts eingetragen. Er wandte sich 2020 erfolglos an das Amtsgericht (AG) und begehrte die Berichtigung seines Geburtenregisters u. a. dahingehend, dass er in seinem Geburtsnamen den Adelstitel „Freiherr“ führe.

Das OLG hat die Ansicht des AG bestätigt: Es ist nicht ersichtlich, dass der Geburtsname des Beschwerdeführers oder der Familienname seines Vaters im Geburtenregister falsch eingetragen ist. Der Beschwerdeführer kann sich auch nicht erfolgreich auf Regelungen der Weimarer Reichsverfassung berufen, die im deutschen Recht weitergelten. Dort (Art. 109 Abs. 3 WRV) ist geregelt, dass Adelsbezeichnungen nur als Teil des Namens gelten und nicht mehr verliehen werden. Adelsfamilien dürfen danach ihre Adelstitel nur weiterführen, wenn sie diese bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Weimarer Reichsverfassung am 14.8.1919 getragen hatten.

Die herrschende Rechtsprechung geht deshalb davon aus, dass Adelsbezeichnungen jedenfalls dann nicht Bestandteil des Namens geworden sind, wenn sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Weimarer Reichsverfassung längere Zeit im Rechtsverkehr nicht mehr geführt worden sind.

Da vorliegend neben dem Ur-Ur-Urgroßvater des Beschwerdeführers drei weitere Generationen seiner Familie den Adelstitel bis zum Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung am 14.8.1919 nicht mehr getragen hatten, kann sich der Beschwerdeführer nicht mehr erfolgreich darauf berufen, dass der Titel Bestandteil des Namens geworden ist. Der Adelstitel ist insoweit unter dem Regime des bürgerlichen Rechts untergegangen.

Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13.7.2021, 3 W 98/20


Kindeswohlgefährdung:

Bei Kindesrückführung an die Eltern ist ein psychologisches Gutachten erforderlich

| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat jetzt entschieden: Die Beurteilung, ob die Rückführung eines kurz nach der Geburt in Obhut genommenen Kindes zu seinen Herkunftseltern zu einer Kindeswohlgefährdung führt, bedarf regelmäßig eines psychologischen Gutachtens. Dies gilt insbesondere, wenn sich das Jugendamt und der Verfahrensbeistand des Kindes gegen eine Kindesrückführung aussprechen. Das OLG hob deshalb einen Beschluss des Amtsgerichts (AG) auf, mit dem u.a. der Antrag der Pflegeeltern auf Anordnung des Verbleibes des Kindes bei ihnen zurückgewiesen worden war. |

Das war geschehen

Das im Jahr 2020 geborene Kind ist die zweite Tochter der nicht miteinander verheirateten Kindeseltern, die über das gemeinsame Sorgerecht verfügten. Die ältere Schwester war bereits unmittelbar nach der Geburt in Obhut genommen und die u.a. eingerichtete Amtspflegschaft später gerichtlich bestätigt worden. Auch das betroffene Kind war bereits wenige Tage nach der Geburt gegen den Willen der Eltern in Obhut genommen worden und lebt bei Pflegeeltern. Ein drittes Kind der Eltern lebt seit seiner Geburt bei den Eltern.

Die Pflegeeltern begehrten im Rahmen des familiengerichtlichen Verfahrens die Anordnung des dauerhaften Verbleibs des Kindes bei ihnen. Das für den Aufenthaltsort der Eltern zuständige Jugendamt setzte sich anders als das am Verfahren beteiligte und für den Aufenthaltsort des Kindes zuständige Jugendamt für eine Rückführung des Kindes zu seinen Eltern ein; vorbereitend sollten intensivierte Umgänge stattfinden. Der Verfahrensbeistand des Kindes sprach sich gegen eine Rückführung aus. Das AG sah keine Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung im Fall der Rückübertragung der elterlichen Sorge auf die Herkunftseltern, sodass es von familiengerichtlichen Maßnahmen absah und die beantragte Verbleibensanordnung nicht erließ.

Oberlandesgericht: Psychologisches Sachverständigengutachten regelmäßig nötig

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Pflegeeltern und des vormaligen Amtspflegers führten zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens an das AG. Die Entscheidung über die Folgen der Trennung des Kindes von seiner sozialen Familie könne im Hinblick auf die Gestaltung des Verfahrens regelmäßig ohne ein psychologisches Sachverständigengutachten nicht entschieden werden, betonte das OLG.

Kindeswohl entscheidend

Für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung des Kindeswohls sei insbesondere die Frage, ob und wenn ja, in welchem Umfang das Kind Bindungen zu seinen Pflegepersonen und deren Umfeld aufgebaut habe und durch einen Abbruch dieser Bindungen in seinem Wohl gefährdet werden würde, umfassend aufzuklären. Zur Beurteilung dieser für das Kind existenziellen Frage habe sich das AG nicht allein auf die Angaben des nicht am Verfahren beteiligten Jugendamts am Wohnort der Eltern stützen dürfen. Es hätte vielmehr ein psychologisches Sachverständigengutachten einholen müssen. Für das betroffene Kind lägen hier zudem besondere Risikofaktoren vor. Es reagiere besonders sensibel auf Stresssituationen, die teilweise auch pathologische Reaktionen bewirkten.

Es sei deshalb seitens des AG u.a. durch Einholen eines Gutachtens umfassend aufzuklären, ob die Rückführung des Kindes zu seinen Eltern mit einer Kindeswohlgefährdung einhergingen und die Eltern zur Ausübung des Sorgerechts ohne Gefährdung des Kindeswohls imstande seien.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3.3.2022, 6 UF 225


Quarantäne:

Corona-Infektion von demenzkranken Personen in Pflegeheimen

| Infiziert sich eine schwer demenzkranke Heimbewohnerin mit dem Corona-Virus und ist anzunehmen, dass sie krankheitsbedingt einer Quarantäneanordnung nicht Folge leisten wird, kann das Amtsgericht (AG) bei symptomlosem Verlauf im Einzelfall eine Absonderung in ihrem abgeschlossenen Zimmer anordnen allerdings nur, wenn das Gesundheitsamt nach gründlicher Prüfung des Falls einen entsprechenden Antrag stellt. So hat es das AG Bad Idburg entschieden. |

Die Betroffene ist 92 Jahre alt und bewohnt ein Zimmer in einem Pflegeheim. Sie leidet unter einer weit fortgeschrittenen Demenz mit mangelnder Mitarbeit an einer Therapie und starker motorischer Unruhe. Sie läuft also quasi den ganzen Tag im gesamten Heim umher und besucht dabei andere Bewohnerinnen und Bewohner auch in ihren Zimmern. Anfang Februar infizierte sich die Betroffene mit dem Corona-Virus. Die Infektion verlief symptomlos.

Um zu verhindern, dass die Betroffene das Virus durch Kontakt mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern weiterträgt, ordnete der Gesundheitsdienst des Landkreises Osnabrück auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes die Absonderung („Quarantäne“) der Betroffenen an. Da er infolge der Demenzerkrankung davon ausging, dass die Betroffene der Quarantäneanordnung nicht ausreichend Folge leisten würde, beantragte er zugleich ihre Absonderung in ihrem abgeschlossenen Zimmer.

Das Betreuungsgericht hat die Absonderung der Betroffenen in ihrem abgeschlossenen Zimmer angeordnet. Die Absonderung der Betroffenen im geschlossenen Zimmer sei nach dem Infektionsschutzgesetz zulässig und geboten gewesen. Die zur Vermeidung der Ansteckung anderer Personen erforderlichen Verhaltensweisen könne die Betroffene aufgrund der bei ihr vorliegenden psychiatrischen Erkrankung und der damit verbundenen kognitiven Defizite nicht erkennen und nicht einhalten. Die Betroffene sei körperlich mobil und durch Ansprache nicht dazu zu bringen, von anderen Bewohnern und Pflegepersonen fernzubleiben. Sie bleibe nicht in ihrem Zimmer, sondern möchte dieses unbedingt verlassen und die Gemeinschaftsräumlichkeiten aufsuchen.

Dieser Sachverhalt stand zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der durchgeführten Ermittlungen fest. So hat die Betreuungsrichterin eine Stellungnahme des Hausarztes ausgewertet, die Pflegedienstleiterin und den Bezugspfleger befragt und sich schließlich bei einer persönlichen Anhörung der Betroffenen (die aus Infektionsschutzgründen durch das geöffnete Fenster stattfand) einen eigenen unmittelbaren Eindruck verschafft.

Quelle | AG Bad Idburg, Beschluss vom 17.2.2022, 11 XVII W 2765, PM vom 17.2.2022

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