Familienrecht Info - 01.2022

2.01.2022
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Nachehelicher Unterhalt:

Keine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung

| Ohne Hinzutreten sonstiger Umstände kommt bei einer rund 36-jährigen Ehedauer einer Alleinverdienerehe, aus der drei Kinder hervorgegangen sind, die von der geschiedenen Ehefrau überwiegend betreut wurden, sowie angesichts der Umstände, dass die Ehefrau bald 60 Jahre alt und krankheitsbedingt erwerbsunfähig ist, eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Unterhalts nicht in Betracht. Das hat jetzt das Amtsgericht (AG) Frankenthal entschieden. |

Das AG betont: Ergibt sich aufgrund der Gesamtumstände, dass für einen Unterhaltsberechtigten krankheitsbedingt offensichtlich keine reelle Chance der Einkommenserzielung auf dem Arbeitsmarkt besteht, ist nicht erforderlich, dass sich ein hierzu eingeholtes Sachverständigengutachten bis an die Grenze des Absurden zu allen denkbaren Formen der Erwerbstätigkeit ausdrücklich und unter Hinzuziehung von Beispielen äußert.

Die Beteiligten stritten um rückständigen und laufenden Ehegattenunterhalt. Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute. Sie haben im Jahr 1983 die Ehe geschlossen und leben seit dem Jahr 2016 voneinander getrennt. Die Ehe, aus der drei zwischenzeitlich volljährige Kinder hervorgegangen sind, wurde im Jahr 2019 geschieden. Es handelte sich um eine sogenannte „Alleinverdienerehe“, das heißt: Die im Jahr 1960 geborene Antragstellerin hatte während der Ehezeit nicht gearbeitet, sondern sich maßgeblich um die Kindererziehung gekümmert. Sie erzielt keine eigenen Einkünfte. Zwar hat sie in Kasachstan eine Ausbildung zur Postbotin absolviert, diesen Beruf indes nie ausgeübt. Zur von der Antragstellerin behaupteten krankheitsbedingten Erwerbsunfähigkeit hat das Gericht zwei Sachverständigengutachten eingeholt.

Das AG hat den Anträgen überwiegend stattgegeben. Die Antragstellerin (Ehefrau) kann von dem Antragsgegner (Ehemann) Ehegattenunterhalt in Form des Elementarunterhalts wegen Krankheit sowie in Form des Krankenvorsorgeunterhalts verlangen. Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm vom Zeitpunkt der Scheidung an wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwächen seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Die Krankheit braucht nicht „ehebedingt“ zu sein. Ausreichend ist die Kausalität für die Nichterwerbstätigkeit des Bedürftigen. Es ist allein maßgeblich, dass eine Einschränkung vorliegt, die zur Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit führt. Erforderlich ist ein objektiv fassbarer, regelwidriger Körper- und Geisteszustand, der länger andauert und der ärztlichen Behandlung bedarf und (teilweise oder ganz) die Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.

Das AG: Vor diesem Maßstab kann von der Antragstellerin jedenfalls seit dem Zeitpunkt der Scheidung wegen Krankheit keine Erwerbstätigkeit erwartet werden. Die Antragstellerin leide an diversen Beeinträchtigungen. Aus neurologischer Sicht wäre hiernach eine Tätigkeit in Wechselschicht, nicht aber in Nachtschicht, in Form leichter bis mittelschwerer Tätigkeit überwiegend im Sitzen, zeitweise auch im Gehen und Stehen zumutbar. Es bestehen zusätzlich diverse orthopädische Diagnosen. Hiernach ist die Antragstellerin aufgrund orthopädischer Leiden bis auf Weiteres nicht in der Lage, drei Stunden täglich wettbewerbsmäßig tätig zu sein. Nach alledem stand für das Gericht aufgrund der nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen und in der Zusammenschau beider Gutachten mit hinreichender Sicherheit fest, dass bei verständiger Würdigung eine reelle Erwerbschance auf dem Arbeitsmarkt für die Antragstellerin bis auf Weiteres nicht besteht.

Umstände, aus denen sich ausnahmsweise dennoch eine Unbilligkeit der unbegrenzten Dauer der Unterhaltspflicht ergeben könnten, hatte der Antragsgegner weder vorgetragen, noch seien sie sonst ersichtlich, so das AG. Die Entscheidung ist rechtskräftig. Seine Beschwerde hatte der Antragsgegner zurückgenommen.

Quelle | AG Frankenthal, Urteil vom 29.4.2021, 71 F 214/19, PM vom 22.10.2021


Kindesunterhalt:

Sind Oma und Opa vermögend, muss Papa nicht mehr zahlen

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat geklärt, ob die sog. gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern auch besteht, wenn finanziell leistungsfähige Großeltern vorhanden sind. Der BGH hat die Frage entschieden verneint. |

Das war geschehen

Ein Bundesland als Träger der Unterhaltsvorschusskasse verlangte Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht für den Zeitraum von Juni 2016 bis einschließlich Dezember 2017. Der Antragsgegner ist der Vater der im August 2010 geborenen Tochter, die aus seiner inzwischen geschiedenen Ehe mit der Kindesmutter hervorgegangen ist, sowie eines Sohnes, dem er ebenfalls unterhaltspflichtig ist. Er verfügte über ein Nettoeinkommen von rund 1.400 Euro und zahlte an die Kindesmutter, deren Nettoeinkommen aus einer Teilzeittätigkeit rund 1.000 Euro betrug, monatlichen Unterhalt für die Tochter in Höhe von 100 Euro. Seine Eltern die Großeltern des Mädchens hatten monatliche Nettoeinkünfte von fast 3.500 Euro bzw. gut 2.200 Euro. Die Unterhaltsvorschusskasse leistete für die Tochter Unterhaltsvorschuss und nahm den Vater von auf sie übergegangenen Unterhalt in Höhe von insgesamt 758,29 Euro in Regress. Der Antragsgegner wandte ein, er hafte angesichts der leistungsfähigen Großeltern nur bis zur Höhe des angemessenen Selbstbehalts und sei deswegen nicht leistungsfähig.

So sahen es die Gerichte

Das Amtsgericht (AG) hat dem Zahlungsantrag in vollem Umfang entsprochen. Auf die Beschwerde des Vaters hat das Oberlandesgericht (OLG) diese Entscheidung geändert und den Antrag abgewiesen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die dagegen vom Land eingelegte Rechtsbeschwerde zurückgewiesen, weil der Vater nicht über die von ihm erbrachten Unterhaltszahlungen hinaus leistungsfähig im Sinne des Gesetzes (§ 1603 BGB) war.

Die Argumente des BGH

Verwandte in gerader Linie müssen einander Unterhalt gewähren. Dabei geht die Unterhaltspflicht der Eltern für ihre Kinder derjenigen der Großeltern für ihre Enkel vor. Unterhaltspflichtig ist nicht, wer seinen eigenen angemessenen Unterhalt gefährden würde.

Der daraus abgeleitete angemessene Selbstbehalt eines Elternteils gegenüber seinem Kind betrug seinerzeit 1.300 Euro. Allerdings trifft Eltern minderjähriger Kinder eine gesteigerte Unterhaltspflicht, weshalb ihnen insoweit nur der notwendige Selbstbehalt von seinerzeit 1.080 Euro zusteht. Diese sog. gesteigerte Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist.

Der BGH: Das Vorhandensein von für den Enkelunterhalt leistungsfähigen Großeltern führt dazu, dass die gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern für ihre minderjährigen Kinder entfällt. Dies folgt nicht nur aus dem Gesetzeswortlaut, der nicht nach dem Verwandtschaftsgrad differenziert. Es entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der diese Regelung seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in der Vorstellung getroffen hatte, die Erweiterung der Unterhaltspflicht sei wegen der für die Eltern damit verbundenen Härte nicht gerechtfertigt, solange andere zur Gewährung des Unterhalts verpflichtete Verwandte, wie etwa Großeltern, vorhanden sind. An dieser gesetzgeberischen Konzeption, die sich in die Konstruktion des Verwandtenunterhalts als Ausdruck der generationenübergreifenden Solidarität einfügt, hat sich bis heute nichts geändert. Werden Großeltern für den Unterhalt ihrer Enkel herangezogen, stellt dies auch keine verdeckte Unterhaltsgewährung an die Kindeseltern dar. Vielmehr haften sie originär nur auf Unterhalt gegenüber ihren Enkelkindern. Die Kindeseltern müssen ihren eigenen angemessenen Unterhalt selbst sicherstellen.

Durch dieses Gesetzesverständnis wird das gesetzliche Rangverhältnis nicht in Frage gestellt. Zudem bleibt gewährleistet, dass die Ersatzhaftung der Großeltern die Ausnahme darstellt. Dafür sorgt nicht nur die Anordnung des Vorrangs der elterlichen Unterhaltspflicht, sondern auch, dass Großeltern gegenüber ihren Enkeln ein deutlich höherer angemessener Selbstbehalt zusteht (Stand Oktober 2021: 2.000 Euro zzgl. der Hälfte des über 2.000 Euro liegenden Einkommens) als den Eltern gegenüber ihren Kindern. Dass der Staat für Unterhaltsvorschusszahlungen keinen Regress bei Großeltern nehmen kann, ist wiederum eine ganz bewusste gesetzgeberische Entscheidung, kann jedoch nicht dafür maßgeblich sein, welchen Umfang die zivilrechtliche Unterhaltspflicht der Eltern hat. Schließlich geben auch Praktikabilitätserwägungen keine Veranlassung zu einer abweichenden Gesetzesauslegung. Bereits die Zahl der Fälle, in denen intensivere Nachforschungen zu den Einkommensverhältnissen der Großeltern erforderlich sind, dürfte begrenzt sein. Vor allem aber muss ein auf Unterhalt in Anspruch genommener Elternteil in solchen Fällen nicht nur darlegen und beweisen, dass bei Unterhaltszahlung sein angemessener Selbstbehalt nicht gewahrt wäre, sondern auch, dass andere leistungsfähige Verwandte vorhanden sind.

Fazit

Danach traf den Vater hier keine gesteigerte Unterhaltspflicht, weil jedenfalls der Großvater ohne Weiteres leistungsfähig für den Kindesunterhalt war. Unter Berücksichtigung des angemessenen Selbstbehalts musste der Vater daher über die bereits gezahlten 100 Euro hinaus keinen weiteren Kindesunterhalt leisten.

Quelle | BGH, Beschluss vom 27.10.2021, XII ZB 123/21, PM Nr. 197/21 vom 28.10.2021

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