Familienrecht Info - 08.2023

2.08.2023
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Ehegattentestament:

Voraussetzungen einer Pflichtteilsstrafklausel

| Pflichtteilsstrafklauseln in gemeinschaftlichen Testamenten sollen den Nachlass für den überlebenden Ehegatten möglichst ungeschmälert erhalten. Wird die Verwirkung der Pflichtteilsklausel von den Testierenden nicht nur an das Verlangen des Pflichtteils, sondern auch an den Erhalt des Pflichtteils geknüpft, setzt die Verwirkung der Klausel einen tatsächlichen Mittelabfluss voraus. Ohne Mittelabfluss besteht kein Sanktionierungsgrund. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |

Beanspruchen des Pflichtteils sollte sich nachteilig auswirken

Die Erblasserin hatte mit ihrem vorverstorbenen Ehemann ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet. Sie hatte aus einer früheren Ehe eine Tochter, ihr verstorbener Ehemann hatte aus früheren Ehen zwei Töchter. Die Eheleute setzten sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Weiter hieß es: „Wir gehen davon aus, dass unsere Kinder keinen Anspruch auf einen Pflichtteil nach dem Tod des erstverstorbenen Elternteils erheben. Nach dem Tod des überlebenden Partners wird das Vermögen unter den Kindern (…Namen der drei Töchter) zu gleichen Teilen aufgeteilt. Ausgenommen ist dabei das Kind, das einen Pflichtteil beansprucht und erhalten hat.“

Die Tochter der Erblasserin beantragte einen Erbschein, der sie und eine der zwei Töchter des vorverstorbenen Ehemanns zu je 1/2 als Erbinnen ausweisen soll. Sie meint, die weitere Tochter sei nicht Erbin der Erblasserin geworden sei, da sie nach dem Tod ihres Vaters ihren Pflichtteil geltend gemacht habe.

Erbanspruch nicht verwirkt

Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag der Tochter der Erblasserin zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Gemäß der testamentarischen Schlusserbenbestimmung seien alle drei Töchter Erbinnen zu jeweils einem Drittel geworden, bestätigte das OLG. Die dritte Tochter habe ihren Erbanspruch nicht verwirkt. Nach dem Testament sollte dasjenige Kind von der Schlusserbschaft ausgenommen werden, das nach dem Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil beansprucht und erhalten hat. Voraussetzung für das Auslösen der Sanktionswirkung sei damit abweichend von den üblichen Klauseln nicht nur die Geltendmachung des Pflichtteils, sondern zusätzlich ein Mittelabfluss vom Nachlassvermögen. Ob die Tochter hier überhaupt ihren Pflichtteil geltend gemacht habe, könne offenbleiben. Jedenfalls habe sie nicht ihren Pflichtteil und auch sonst nichts aus dem Nachlassvermögen erhalten.

Der Hinweis der anderen Töchter, sie habe ihren Pflichtteil erhalten, dieser sei aber „gleich null“ gewesen, überzeuge nicht. Ein „ins Leere gehender bzw. wertloser Pflichtteil … (löse) nicht die Sanktionswirkung der testamentarischen Pflichtteilsklausel aus“. Durch das zusätzliche Erfordernis des „Erhaltens“ hätten die Eheleute deutlich gemacht, dass es ihnen „um das Zusammenhalten des Nachlassvermögens, dessen Werthaltigkeit und den Schutz des überlebenden Ehegatten“ gegangen sei. Wenn die Tochter nichts aus dem Nachlass erhalten habe, sei der Nachlass nicht geschmälert und es bestehe nach dem Willen der Ehegatten kein Grund für eine Sanktionierung.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.2.2023, 21 W 104/22, PM 13/23


Eheliche Lebensgemeinschaft:

Keine Unterhaltsvorschussleistungen bei nur räumlicher Trennung der Eltern

| Eine räumliche Trennung der Eheleute stellt kein Getrenntleben dar, solange sie eine häusliche Gemeinschaft herstellen wollen. Das hat nun das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg entschieden. |

Räumliche Trennung kurz nach der Hochzeit

Die Klägerin meinte, dass ihr ein Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen in der Zeit vom 1.8.19 bis 24.10.20 zugestanden habe, da sie in dieser Zeit getrennt von ihrem Mann gelebt habe. Sie hatte den Mann am 31.7.19 im Libanon geheiratet. Erst ab dem 25.10.20 sei er zu ihr nach Deutschland gezogen. Das Verwaltungsgericht (VG) und auch das OVG sahen das anders.

Häusliche Gemeinschaft sollte hergestellt werden und wurde es auch

Die Frau war nicht dauerhaft von ihrem Mann getrennt. Maßgeblich dafür ist allein die zivilrechtliche Definition des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 1567 Abs. 1 BGB). Danach gilt ein Elternteil, bei dem das Kind lebt, u. a. als dauernd getrennt lebend „wenn im Verhältnis zum Ehegatten oder Lebenspartner ein Getrenntleben i. S. d. § 1567 BGB vorliegt“.

Ehegatten leben folglich getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die Eheleute wollten aber eine häusliche Gemeinschaft herstellen. Die Frau hatte eingeräumt, dass der Mann bei ihr eingezogen war.

Quelle | OVG Lüneburg, Beschluss vom 15.12.2022, 14 PA 359/22, Abruf-Nr. 233791 unter www.iww.de


Betreuungsverfahren:

Mehrere Betreuer nur bei besserer Versorgung des Betroffenen

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt klargestellt: Auf Wunsch des Betroffenen werden mehrere Betreuer nur bestellt, wenn die Angelegenheiten des Betreuten hierdurch besser besorgt werden können. |

Betroffene wollte „Wunschbetreuer“ zusätzlich

Die Betroffene ist 82 Jahre alt und leidet an einem manisch-depressiven demenziellen Symptom und einer organischen wahnhaften Störung. Sie kann ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst besorgen. Sie hatte zwar ihrem Enkel, dem Sohn ihrer älteren Tochter, eine Vorsorgevollmacht erteilt. Zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung war sie aber bereits geschäftsunfähig. Das AG hat daher eine Betreuung für mehrere Aufgabenkreise eingerichtet und die jüngere Tochter zur Betreuerin bestellt. Dagegen hat die Betroffene Beschwerde eingelegt. Sie wünscht, dass ihr Enkel als ein weiterer Betreuer bestellt wird.

Während des Betreuungsverfahrens machten die jüngere Tochter und der Enkel sich wechselseitig Vorhaltungen über vermeintliche Verfehlungen. Das Landgericht (LG) hat die Betroffene nicht erneut angehört und die Beschwerde zurückgewiesen. Auch die Rechtsbeschwerde der Betroffenen zum BGH blieb erfolglos

Spannungen zwischen den Familienstämmen

Die jüngere Tochter ist bereit und in der Lage, die Betroffene zu betreuen. Ihre Bestellung entspricht deren Wohl und Willen, da diese sich gut mit dieser Tochter versteht. Ihr Wunsch, auch durch den Enkel betreut zu werden, ist zwar beachtlich. Diesem kann aber nur entsprochen werden, wenn die Angelegenheiten der Betroffenen dadurch besser besorgt werden könnten. Das ist nicht der Fall, da es Spannungen zwischen den Familienstämmen gibt.

Die Pflicht zur persönlichen Anhörung besteht zwar auch im Beschwerdeverfahren. Davon kann aber abgesehen werden, wenn die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften erfolgt ist und von einer erneuten Anhörung durch das Beschwerdegericht keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind. Eine erneute Anhörung ist folglich regelmäßig erforderlich, wenn das Beschwerdegericht eine neue Tatsachengrundlage heranzieht. Hierunter kann auch eine nachträglich erfolgte Willensänderung des Betroffenen fallen, wie hier der Wunsch nach einem weiteren Betreuer. Wenn die Beschwerde jedoch bereits aus Rechtsgründen zurückzuweisen ist, ist auch keine erneute Anhörung erforderlich, da keine neuen entscheidungserheblichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

Quelle | BGH, Beschluss vom 7.9.2022, XII ZB 211/22, Abruf-Nr. 231840 unter www.iww.de

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