Ehescheidung:
Getrenntleben der Eheleute trotz gemeinsamer Wohnung möglich
| Die Annahme der Trennung der Eheleute erfordert ein der räumlichen Situation entsprechendes Höchstmaß der Trennung. Verbleibende Gemeinsamkeiten in Form gemeinsamer Mahlzeiten, der Vornahme von Erledigungen und Einkäufen für den anderen stehen der Trennung nicht entgegen, wenn sie sich als unwesentlich darstellen. Dies gilt auch für einen freundschaftlichen, anständigen und vernünftigen Umgang der Ehegatten miteinander, insbesondere, wenn gemeinsame Kinder im Haushalt leben. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |
Eheleute verlangen wechselseitig Auskunft über ihr Vermögen
Die Eheleute haben drei noch minderjährige Kinder und wohnten gemeinsam mit ihnen in einem Haus. Sie stellten wechselseitige Anträge auf Auskunft über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung. Das Amtsgericht (AG) hatte der Auskunftspflicht den vom Ehemann benannten späteren Trennungszeitpunkt zugrunde gelegt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Ehefrau hatte vor dem OLG Erfolg.
Lebten die Eheleute getrennt?
Die Trennung sei für den Zeitpunkt festzustellen, zu dem (objektiv) zwischen den Eheleuten keine häusliche Gemeinschaft mehr bestehe und (subjektiv) zumindest ein Ehegatte diese Gemeinschaft auch nicht mehr herstellen wolle, da er sie ablehne, erläuterte das OLG. Dabei sei nicht erforderlich, dass ein Ehegatte aus der ehelichen Wohnung ausziehe. Ausreichend sei, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt lebten. Es bedürfe keiner „vollkommenen Trennung“, sondern nur ein „der räumlichen Situation entsprechendes Höchstmaß der Trennung“.
Dazu gehöre das nach außen erkennbare getrennte Wohnen und Schlafen, dass die Eheleute keinen gemeinsamen Haushalt mehr führten und keine wesentlichen persönlichen Beziehungen mehr bestünden. Verbleibende Gemeinsamkeiten müssten sich in der Gesamtbetrachtung als unwesentlich für das eheliche Zusammenleben darstellen. Vereinzelt bleibende Versorgungsleistungen bzw. Handreichungen der Ehegatten füreinander ohne besondere Intensität oder Regelmäßigkeit stünden demnach der Annahme der Trennung nicht entgegen.
Verpflichtung zum Wohl der Kinder
Ein „freundschaftlicher, anständiger und vernünftiger Umgang der Ehegatten miteinander“ stehe der Trennungsannahme insbesondere dann nicht entgegen, wenn gemeinsame Kinder im Haushalt lebten. „Denn auch nach der Trennung bleiben die Ehegatten über die Elternschaft miteinander verbunden und sind zum Wohl ihrer Kinder zum Wohlverhalten verpflichtet“, sagte das OLG. Da die Trennungsverarbeitung durch die Kinder häufig maßgeblich vom Umgang der Ehegatten miteinander geprägt werde, stünden ein „höfliches Miteinander und gemeinsame Mahlzeiten mit den Kindern der Annahme eines Getrenntlebens nicht entgegen“, so das Gericht.
Trennungsvoraussetzungen erfüllt
Hier seien die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Trennung erfüllt gewesen, seitdem die Antragstellerin dem Antragsgegner ihren Willen, die häusliche Gemeinschaft nicht mehr herstellen zu wollen, weil sie diese ablehnt, per Mail eindeutig mitgeteilt habe. Der Ehemann habe zu diesem Zeitpunkt innerhalb des gemeinsamen Hauses eine „Schlafstätte nebst Badezimmer im Keller“ genutzt. Eine persönliche Beziehung zwischen den Ehegatten habe seitdem nicht mehr bestanden. Die vereinzelten Einkäufe und Erledigungen seien im Gesamtbild unwesentlich gewesen und hätten „in der vereinzelt gebliebenen Situation noch der allgemeinen Höflichkeit und Hilfsbereitschaft (entsprochen), wie sie auch außerhalb ehelichen Zusammenlebens […] aus gesellschaftlichem Anstand jedenfalls nicht ungewöhnlich sind“, begründete das OLG.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 28.3.2024, 1 UF 160/23, PM 19/24
Bundesverfassungsgericht:
Vorschriften über die Vaterschaftsanfechtung durch leibliche Väter nicht mit Grundgesetz vereinbar
| Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden: Die gesetzliche Regelung über das Recht des leiblichen Vaters, die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes für sein Kind anzufechten, ist mit dem Grundgesetz (GG) nicht vereinbar. |
Das war geschehen
Der feststehend leibliche Vater eines 2020 nichtehelich geborenen Kindes führte mit der Mutter des Kindes eine Beziehung und lebte mit ihr in einem Haushalt. Nach der Trennung der Mutter von ihm hatte der Vater weiter Umgang mit seinem Kind. Die Mutter ging eine neue Beziehung ein. Nachdem der Vater einen Antrag auf Feststellung seiner Vaterschaft gestellt hatte, erkannte der neue Partner der Mutter die Vaterschaft für das Kind mit ihrer Zustimmung an und ist so dessen rechtlicher Vater geworden.
Zuletzt hatte das Oberlandesgericht (OLG) den Antrag des leiblichen Vaters darauf, festzustellen, dass er und nicht der rechtliche Vater Vater des Kindes sei, als unbegründet abgewiesen. Die Vaterschaftsanfechtung des leiblichen Vaters scheitere an der inzwischen bestehenden sozial-familiären Beziehung des neuen Partners der Mutter und rechtlichen Vaters zum Kind.
Der leibliche Vater erhob daher Verfassungsbeschwerde. Er rügte, dass sein Elternrecht nach dem GG (hier: Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) verletzt sei. Vorschriften des BGB (hier: § 1600 Abs. 2 und 3 BGB), so wie das OLG es anwende, mache es ihm als leiblichem Vater unmöglich, die rechtliche Vaterschaft für das Kind zu erlangen.
So sah es das Bundesverfassungsgericht
Die o. g. Regelung des BGB ist mit dem GG nicht vereinbar, so das BVerfG. Das Elterngrundrecht bedarf einer Ausgestaltung durch den Gesetzgeber. Er kann dabei abweichend vom bisherigen Recht im BGB die rechtliche Elternschaft des leiblichen Vaters neben der Mutter und dem rechtlichen Vater vorsehen. Hält der Gesetzgeber dagegen an einer Beschränkung der rechtlichen Elternschaft auf zwei Elternteile fest, muss zugunsten des leiblichen Vaters ein hinreichend effektives Verfahren zur Verfügung stehen, das ihm ermöglicht, anstelle des bisherigen rechtlichen Vaters selbst rechtlicher Vater seines Kindes zu werden.
Letzterem genügt das bisherige Recht vor allem deshalb nicht, weil es nicht erlaubt, eine bestehende oder vormalige sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem leiblichen Vater sowie dessen bisherige Bemühungen um die rechtliche Vaterschaft zu berücksichtigen.
Das BVerfG: Die für mit dem GG unvereinbare o. g. Vorschrift des BGB über die Vaterschaftsanfechtung bleibt bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 30.6.2025, in Kraft.
Quelle | BVerfG, Urteil vom 9.4.2024, 1 BvR 2017/21, PM 35/24