Adoptionsverfahren:
Stiefkindadoption, wenn der leibliche Vater inhaftiert ist
| Heutzutage gibt es immer mehr „Patchwork“-Familien. In manchen Fällen stellt sich dann die Frage, ob die Adoption eines Kindes durch den neuen Lebenspartner des einen Elternteils in Frage kommt. Hierzu hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg kürzlich in einem interessanten Fall entschieden. |
Adoption: Kindeswohl steht im Vordergrund
Grundsätzlich kann eine Adoption ausgesprochen werden, wenn dies dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Vor allem bei der Stiefkindadoption ist das schützenswerte Interesse des Kindes an der Aufrechterhaltung der familiären Bande zu seinem leiblichen anderen Elternteil zu beachten, wenn dieses Band infolge der Stiefkindadoption durchtrennt würde. Für die Adoption des Kindes durch den Stiefelternteil kann dabei etwa sprechen, dass zwischen Kind und dem durch die Adoption zurücktretenden leiblichen Elternteil keine Beziehung (mehr) besteht, etwa weil dieser verstorben oder unbekannt ist oder die Beziehung so stark gelockert ist, dass sich das zwischen dem Kind und dem leiblichen Elternteil bestehende Eltern-Kind-Verhältnis nur noch als leere rechtliche Hülle darstellt. Als gewichtiger Vorteil der Annahme als Kind kann sich in diesem Fall der Umstand erweisen, dass der Stiefelternteil nach der Annahme des Kindes eine bisher bereits faktisch gemeinsam wahrgenommene elterliche Verantwortung auch rechtlich in Gestalt der gemeinsamen elterlichen Sorge ausüben kann.
Das war geschehen
In dem vom OLG entschiedenen Fall beantragte der Stiefvater eines achtjährigen Kindes die Adoption. Der leibliche Vater ist seit 2016 inhaftiert und hat der Adoption zunächst widersprochen.
Das Amtsgericht (AG) Familiengericht hatte den Antrag des Stiefvaters auf Ersetzung der Einwilligung des leiblichen Vaters nach Einholung einer fachlichen Stellungnahme des Jugendamtes und mit der nun angefochtenen Entscheidung auch den Antrag des Antragstellers auf Adoption mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle die Einwilligung des leiblichen Vaters.
Leiblicher Vater: Einwilligung zur Adoption zurückgenommen
Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vor dem OLG hat der leibliche Vater zunächst seine Einwilligung in die Adoption erklärt, diese aber im Hinblick auf die erwartete Haftentlassung wieder zurückgenommen. Das OLG hat die Beschwerde des Stiefvaters mit der Begründung zurückgewiesen, dass der durch den Ausspruch der Adoption eventuell entstehende Vorteil den Nachteil des irreversiblen Abschneidens des rechtlichen Bandes des Kindes zu seinem leiblichen Vater und dessen Verwandten nicht ausgleichen kann.
Kindeswunsch: mehr Kontakt zu leiblichem Vater
Das Kind habe zwar erklärt, dass sich der von ihm ebenfalls als „Papa“ bezeichnete Stiefvater sehr gut um es kümmere, indem er z.B. für das Kind koche und es zur Schule bringe. Das Kind hatte aber ebenso auch den Wunsch geäußert, häufiger Kontakt zu seinem leiblichen Vater haben zu können und diesen ebenfalls als Vater angesehen.
Oberlandesgericht: Hier kann man auf eine Adoption verzichten
Das OLG hat die Zurückweisung des Adoptionsantrags weiter damit begründet, dass das Gesetz auch den Stiefeltern z.B. in Angelegenheiten des täglichen Lebens weitreichende rechtliche Befugnisse einräume. Folglich müsse immer geprüft werden, ob diese rechtliche Flankierung der Stiefeltern nicht ausreichend sei, um dem Interesse des Kindes an der Verfestigung einer zum Stiefelternteil bestehenden sozialen Eltern-Kind-Beziehung Genüge zu tun und deshalb auf eine Adoption verzichtet werden könne. Dies sei vorliegend der Fall.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Oldenburg, Beschluss vom 8.4.2022 4 UF 101/21, PM 26/22
Scheidung und Versorgungsausgleich:
Wenn sich die Ehefrau von ihrem inhaftierten Mann trennen möchte …
| Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hat nun entschieden, unter welchen Voraussetzungen der Trennungswille eines Ehegatten zu erkennen ist, wenn der andere inhaftiert ist. |
Die Eheleute schlossen 2002 die Ehe. Der Ehemann hatte keine abgeschlossene Ausbildung, war seit Jahren drogenabhängig und führte nur kurzzeitige Hilfstätigkeiten aus. Die Ehefrau war hingegen durchgehend berufstätig. 2020 wurde dem Mann, der eine Haftstrafe verbüßte, der Scheidungsantrag in der Justizvollzugsanstalt (JVA) zugestellt. Das Amtsgericht (AG) hat die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Mannes blieb erfolglos.
Eine Ehe kann erst nach Abschluss des Trennungsjahrs geschieden werden. Fehlt das tägliche Zusammenleben, ist darauf abzustellen, wann der Trennungswille des einen Ehegatten für den anderen erkennbar war. Von dem Trennungswillen der Ehefrau hat der Mann jedenfalls mit Zugang des Antrags auf Verfahrenskostenhilfe für den beabsichtigten Scheidungsantrag erfahren. Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens ist daher das Trennungsjahr abgelaufen.
Die Ehefrau hatte Beschwerde eingelegt, da sie den Versorgungsausgleich für grob unbillig hielt. Das OLG sah dies anders. Die Erwerbslosigkeit und die Straftaten des Mannes schließen den Versorgungsausgleich nicht wegen grober Unbilligkeit aus. Für das Gericht war wichtig: Der Ehefrau war bei der Heirat bekannt, dass aufgrund der Drogenabhängigkeit ihres Mannes, der über keine Ausbildung verfügt, voraussichtlich nicht mit erheblichen Rentenanwartschaften zu rechnen ist. Daran hat sich während der Ehe nichts Wesentliches geändert.
Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21.4.2021, 2 UF 159/20, Abruf-Nr. 229284 unter www.iww.de