Familienrecht - Info 10.2024

2.10.2024
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Bundesgerichtshof:

Kontakt außerhalb festgelegter Umgangszeiten

| Oft weist das Familiengericht einem Elternteil für „reguläre Betreuungszeiten“ einerseits und die Ferienzeiten andererseits bestimmte Tage unter Festlegung konkreter Übergabezeiten zu. Danach ist der Elternteil verpflichtet, die Kinder pünktlich vom Kindergarten, der Schule bzw. am Wohnsitz des anderen Elternteils abzuholen und pünktlich zurückzubringen. Bei schuldhafter Zuwiderhandlung gegen diese Umgangsregelung droht das Gericht dann im Beschluss Ordnungsgeld und ersatzweise Ordnungshaft an. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt in einen solchen Fall der Zuwiderhandlung Klartext gesprochen. |

Umgangsregelung muss „vollstreckungsfähigen“ Inhalt haben

Voraussetzung für die Verhängung eines Ordnungsmittels ist eine Umgangsregelung mit vollstreckungsfähigem Inhalt, folglich eine nach Art, Ort und Zeit erschöpfende, hinreichend bestimmte und konkrete Regelung des Umgangsrechts. Einer Umgangsregelung, durch die der Umgang auf einen bestimmten Rhythmus festgelegt wird oder dem umgangsberechtigten Elternteil bestimmte Umgangszeiten zugewiesen werden, ist somit nicht mit für eine Vollstreckung hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass sich der Umgangsberechtigte eines Umgangs mit dem Kind in der übrigen Zeit enthalten muss. Ein solches Gebot muss sich stets ausdrücklich und eindeutig aus der Umgangsregelung ergeben, um taugliche Grundlage für die Anordnung eines Ordnungsmittels zu sein.

Begriff des Umgangs ist umfassend zu verstehen

Der BGH stellt klar: Der Begriff des Umgangs ist umfassend zu verstehen und schließt jegliche Art von Kontakt mit dem Kind ein (einschl. flüchtiger, fernmündlicher, schriftlicher oder nonverbaler Kommunikation). Der Gesetzgeber hat auf den Begriff „persönlicher Umgang“ verzichtet und auch niedrigschwellige Kontaktaufnahmen, wie Brief- und Telefonkontakte, ausdrücklich einbezogen.

Unter Berücksichtigung des Konkretheitsgebots für die Vollstreckbarkeit von Umgangsregelungen verneint der BGH, dass aus einer positiv formulierten Umgangsregelung implizit ein Verbot von Kontakten außerhalb der geregelten Zeiten abgeleitet werden kann. Soll jeglicher Kontakt außerhalb der festgelegten Umgangszeiten unterbunden werden, muss sich ein an den umgangsberechtigten Elternteil gerichtetes Unterlassungsgebot, sich der Kontaktaufnahme mit dem Kind in der ihm nicht zum Umgang zugewiesenen Zeit zu enthalten, stets ausdrücklich und eindeutig aus der Umgangsregelung ergeben, um Grundlage für die Anordnung eines Ordnungsmittels zu sein. Ansonsten scheitert die Verhängung von Ordnungsmitteln am vollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz.

Quelle | BGH, Beschluss vom 21.2.2024, XII ZB 401/23, Abruf-Nr. 241322 unter www.iww.de


Eheschließung in Afghanistan:

„Handschuhehe“ kann wirksam sein

| Eine in Abwesenheit eines Ehepartners in Afghanistan geschlossene sog. „Handschuh-Ehe“ widerspricht nicht dem „ordre public“ (der öffentlichen Ordnung), wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass für den Willen der Eheschließung selbst eine Stellvertretung vorliegt. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main bestätigte einen Beschluss des Amtsgerichts (AG), dass diese Ehe nicht aufzuheben, auf den Hilfsantrag hin aber zu scheiden ist. |

Afghanische Staatsangehörige schlossen „Handschuh-Ehe“

Die Beteiligten, beide afghanische Staatsangehörige, haben im Januar 2022 in Afghanistan die Ehe in Form einer sog. Handschuh-Ehe geschlossen. Bei der Eheschließung war nur die Antragsgegnerin anwesend, nicht aber der Antragsteller, der seit 2015 in Deutschland lebte. Seit der Verlobungsfeier 2019 telefonierten die Beteiligten regelmäßig miteinander, insbesondere fanden Videotelefonate statt. Im August 2022 flüchtete die Antragsgegnerin nach Deutschland und traf dort erstmals auf ihren Mann. Die Beteiligten hielten sich etwa drei Wochen zusammen bei einem Bekannten auf. Aufgrund einer dann erfolgten Selbstmeldung und ihrer eigenen Alterseinschätzung wurde die Antragsgegnerin als unbegleitete minderjährige Jugendliche in Obhut genommen.

Ehe kann nur geschieden, nicht aufgehoben werden

Der Antragsteller beantragte die Aufhebung der in Afghanistan geschlossen Ehe, hilfsweise die Scheidung. Er behauptete, die Antragsgegnerin habe nur zum Erhalt eines Visums für die Einreise nach Deutschland mit ihm die Ehe geschlossen.

Das AG hat auf den Hilfsantrag hin die Ehe der Beteiligten geschieden, den Antrag auf Aufhebung der Ehe jedoch zurückgewiesen. Mit seiner Beschwerde begehrte der Antragsteller weiterhin die Aufhebung der Ehe. Diese Beschwerde hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Es lag kein Aufhebungsgrund vor

Das OLG bestätigte die Ansicht des AG, dass kein Aufhebungsgrund für die in Afghanistan geschlossene sog. Handschuhehe vorliege. Der Anerkennung der in Afghanistan unstreitig als Handschuhehe geschlossenen Ehe im Inland stehe der deutsche „ordre public“ nicht entgegen. Da keiner der Beteiligten geltend mache, dass die Eheschließung nicht dem Willen der Eheleute entsprochen habe, fehle es an Anhaltspunkten, der Stellvertreterehe aus diesem Grund die Wirksamkeit zu versagen.

Minderjährigkeit der Ehefrau nur vorgeschoben?

Aufgrund der im Verfahren gewonnenen Erkenntnisse bestünden auch keine vernünftigen Zweifel an der Volljährigkeit der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Eheschließung. Die eigenen Angaben der Antragsgegnerin zu ihrem angeblichen Geburtsdatum seien hinsichtlich der weiteren im Verfahren gewonnenen Erkenntnisse nicht plausibel und damit nicht nachvollziehbar. Dabei komme dem in Kopie vorliegenden afghanischen Reisepass der Antragsgegnerin eine erhöhte Beweiswirkung zu. Diese sei weder durch die variierenden, widersprüchlichen Erklärungen der Antragsgegnerin noch durch die sog. Tazkira, einem vom Personenstandsregisteramt ausgestellten Identitätsdokument, in Zweifel gezogen worden. Dem stehe auch nicht entgegen, dass das Jugendamt zum damaligen Zeitpunkt keinen Anlass gehabt habe, die Angaben der Antragsgegnerin anzuzweifeln.

Ehe auch nach afghanischem Recht nicht aufzuheben

Ein Aufhebungsgrund nach afghanischem Recht liege ebenfalls nicht vor. Dazu zähle u.a. die Nichterfüllung einer Bedingung. Dass das spätere Zusammenleben in Deutschland eine derartige Bedingung gewesen sei, ergebe sich schon nicht aus dem Vortrag des Antragstellers. Über die konkrete Ausgestaltung der Ehe seien unstreitig keine Gespräche geführt worden. Der Antragsteller habe zudem ausreichende Erkenntnisquellen gehabt, um eine etwaig andere Motivation der Antragsgegnerin in Erfahrung zu bringen. Zudem sei es gut möglich, dass sich der Wunsch der Antragsgegnerin, allein zu leben, erst im Lauf der allein bewältigten Flucht nach Deutschland gebildet habe. Der Aufhebungsgrund des Betrugs in Form der Täuschung über einen körperlichen oder geistigen Mangel liege ebenfalls nicht vor. Fehle es an einem Aufhebungsgrund, habe das AG die Ehe zu Recht auf den Hilfsantrag hin geschieden.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4.4.2024, 6 UF 204/23, PM 22/24

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